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Das Leben ist groß

Das Leben ist groß

Titel: Das Leben ist groß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jennifer Dubois
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Kopf bis desjat zählen hören. Er lehnte sich zurück. »Lassen Sie mich etwas fragen. Das hier ist für mich eine gute Gelegenheit, herauszufinden, wie Besetow allgemein wahrgenommen wird.«
    »Von außerhalb, meinen Sie?«
    »Ja, von außerhalb«, sagte er.
    »Tja, ich weiß nicht.« Ich dachte nach. Ich versuchte zusammenzufassen, was mein Vater von Besetow dachte, was ich dachte, was CNN über ihn verbreitete und was die Welt im Allgemeinen von ihm hielt. »Ich würde sagen, man denkt über ihn, dass er viel für die Widerstandsbewegung getan hat …«
    »Was getan hat?«
    »Na ja, das mit der Zeitschrift eben.«
    »Und was wäre das?«
    Ich fand, dieser Punkt sei schon geklärt, und ignorierte seine Frage. »… und dass er trotz aller Rückschläge …«
    »Rückschläge? Welche Rückschläge?«
    »In seiner Karriere«, erklärte ich lahm.
    »Tja«, sagte Michail. »Im Endeffekt scheint es ihm aber nicht sehr geschadet zu haben, wie?«
    »Nein, wahrscheinlich nicht.«
    Er fuhr sich mit der Zunge über die ramponierte Unterlippe. »Also wird er allgemein als Held angesehen?«
    »So ziemlich.« Ich wand mich auf meinem Stuhl. »Jedenfalls soweit er überhaupt wahrgenommen wird.«
    Michail lehnte sich wieder zurück. »Das hätte ich mir denken können.«
    »Falls es Sie tröstet, kann ich sagen, dass der Westen sich gar nicht so sehr dafür interessiert. Insgesamt, meine ich.«
    »Verstehe.«
    »Wo waren Sie damals?«
    »In einem psychiatrischen Gefängnis. Weil ich Behauptungenverbreitet hatte, die nicht offiziell als Wahrheiten anerkannt waren.«
    »Oh.« Allmählich begann ich zu begreifen.
    Michail stand abrupt auf, wobei er fast den Mülleimer wieder umgestoßen hätte. »Mehr kann ich nicht für Sie tun, fürchte ich«, sagte er und ging zu seinem Computer, auf dem er ausschließlich mit den Zeigefingern tippte. »Das hier sind die Kontaktdaten seines Sprechers, des PR-Menschen. Er kümmert sich um sämtliche Anfragen.« Er schrieb einen Namen – Viktor Dawidenko – und eine Handynummer vom Bildschirm ab und reichte mir den Zettel.
    Ich starrte darauf. »Ist das alles? Ich meine, das ist der Mann, an den sich jeder andere auch wenden würde, oder?«
    »Und Sie sind nicht jeder andere?«
    »Doch, ich dachte nur …« Ich verstummte und stand auf. Ich wusste selbst nicht, was ich gedacht hatte.
    »Hören Sie. Sie haben zwei Möglichkeiten. Entweder können Sie ihn anrufen, ein Treffen ausmachen und sehen, ob er Ihnen weiterhilft, was er wahrscheinlich nicht tun wird. Oder …« Er musterte mich. »Oder Sie legen Make-up auf, kämmen sich die Haare, flattern an jedem beliebigen Nachmittag ab halb sechs in der Prawda-Bar vorbei und sehen, ob er Ihnen dann weiterhilft. Er ist jeden Tag da. Ich persönlich würde Ihnen die zweite Variante empfehlen. Wenn Sie es über sich bringen, sich die Haare zu kämmen. Aber entscheiden Sie selbst.«
    Michail Andrejewitsch begleitete mich zur Tür, an den jungen Männern vorüber, die erschrocken aufblickten und dann weiter auf den Tastaturen klapperten. Vor der Tür war es lächerlich kalt in der jämmerlich frühen Dämmerung. Michail sah mich aus zusammengekniffenen Augen an. »Und wenn Sie es tatsächlich schaffen, zu Besetow durchzukommen«, sagte er, »sagen Sie ihm, er soll mich anrufen, okay? Ich muss noch das eine oder andere mit ihm besprechen.«Ich lief den Newski-Prospekt hinunter, vom Flussufer weg. Die Begegnung mit Michail Andrejewitsch hatte mich verbittert und verunsichert zurückgelassen. Und wütend – ich platzte fast vor narzisstischem Verlangen, dass die Welt sich meinen Bedürfnissen beugte, und kindischer Empörung, weil sie es nicht tat. Ein Gefühl der Ruhelosigkeit trieb mich um, ein Gefühl, als könnte ich die ganze Nacht über rennen oder mit bloßen Händen Scheiben einschlagen oder mich im Nachtfrost nackt ausziehen und überleben. Ich wusste sehr wohl, dass es nicht darum ging, ob Alexander der war, für den ich ihn hielt oder für den mein Vater ihn gehalten hatte. Er musste für Russland Gutes tun und für das Volk, dem er angehörte, nicht für einen senilen Musiklehrer, der seit sechs Monaten unter der Erde lag. Es sprach von einem absurden Anspruchsdenken – einem absurd amerikanischen Anspruchsdenken –, wenn ich versuchte, ihn irgendwie für mich zu vereinnahmen.
    Und doch – wenn ich an mein bisheriges Leben dachte, sah ich als Erstes die riesige Anzahl von Dingen, die ich mir gewünscht und nicht bekommen hatte. Meine Wünsche

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