Das Leben kleben
sagte ich.
»Also. Nick. Er ist - wie soll ich sagen - wie besessen von Canaan House. Er hat schon einen Architekten beauftragt; hat Pläne zeichnen lassen, um aus dem Anwesen eine geschlossene Wohnanlage zu machen. Luxuswohnungen. Penthouses. Fitnessräume im Untergeschoss. Ein japanischer Garten mit Kies und einem Steinsee. Mit allem Drum und Dran. Plus sechs Studio-Apartments in den Ställen.«
Ich holte tief Luft. Dabei stiegen mir die teure Seife und ein Hauch von Chlor in die Nase.
»Aha. Und was hat er mit Mrs. Shapiro vor?« »Er will sie heiraten.«
Er lieferte die Pointe mit einem leichten Heben der Augenbrauen. Ich tat so, als wäre ich schockiert, doch innerlich lächelte ich.
»Anscheinend haben sich die beiden angefreundet, und eines Tages hat er sie nach ihrem Alter gefragt. Sie behauptete, sie sei einundsechzig. Da ist er misstrauisch geworden und hat heimlich einen Blick in ihre Krankenakte im Altersheim geworfen. Dort wird ihr Alter mit sechsundneunzig angegeben.«
»Nein! Wirklich?« Ich tat überrascht.
»Er dachte - na ja, in diesem Alter ist die Lebenserwartung - wie soll ich sagen ... sie lässt zu wünschen übrig. Ein paar Jahre, höchstens. Er fand, es wäre eine ganz gute Aussicht.«
»Hat er dir gesagt, dass sie einen Sohn hat?«
»Ja. Deswegen hat er es mit dem Heiraten so eilig. Ist er mit ihr verheiratet, bekommt er das Anwesen, wenn sie den Löffel abgibt. Es sei denn natürlich, sie hat ein Testament gemacht.«
»Der Sohn kommt angeblich aus Israel her. Anscheinend findet er auch, dass es eine ganz gute Aussicht ist. Aber ich weiß nicht, ob er wirklich ihr Sohn ist. Ihr Mann war vorher schon einmal verheiratet, verstehst du?«
Vor was? Das war die Frage, die ich nicht beantworten konnte. Wenn Ella Wechsler Artem Shapiro geheiratet hätte, hätte sie Ella Shapiro geheißen. Warum nannte sie sich dann Naomi? Warum änderte jemand seinen ganzen Namen?
»Und wenn sie gar nicht mit ihm verheiratet war«, dachte ich laut, »wenn sie nur mit ihm zusammenlebte ...«
»Hm. Da ist was dran. Würde ihr das Haus dann überhaupt gehören?« Am funkelnden Gold in seinen Augen konnte ich sehen, wie sein Gehirn arbeitete.
»Ist es wichtig, wer mit wem verheiratet war? Wenn sie all die Jahre dort gelebt hat, gehört das Haus doch sicher ihr?«
»Das hängt von den Grundbucheinträgen ab.« Er rührte Zucker in seinen Kaffee, klapperte mit dem Löffel gegen das Porzellan und sah mich mit diesen vielfarbigen Augen an. Ich spürte, wie ich innerlich schmolz. »Es wäre interessant, mal einen Blick in die Papiere zu werfen, Georgina. Weißt du zufällig, wo sie sie aufbewahrt?«
Wahrscheinlich waren sie in den Kisten auf dem Dachboden. »Keine Ahnung«, murmelte ich, während ich sinnlich den Teebeutel ausdrückte und ihn mit einer aufreizenden Löffelbewegung aus dem Tee fischte.
»Vielleicht lässt es sich über das Katasteramt herausfinden«, murmelte er.
Er trank seinen Kaffee aus und stand auf. Als er in der Tür stand, lächelte er dunkel. »Sollen wir ...?«
Er ging vor, ich folgte ihm.
»Du hast gesagt, du würdest mir deine Gedichte zeigen«, neckte ich, doch zu meiner Überraschung zog er einen dünnen cremefarbenen Umschlag aus dem Jackett - nicht aus der Brusttasche mit dem Taschentuch, sondern aus der Innentasche.
»Ich habe eins für dich geschrieben, Georgina.«
Der Umschlag war warm und gewölbt wie sein Körper. Ich öffnete ihn neugierig, während er mich auszog. Er hatte das Gedicht mit der Hand geschrieben, die Buchstaben breit und selbstsicher auf dem cremefarbenen Papier.
Ich irrte durch die Straßen Und das Herz ward mir so schwer, Dann sah ich Euch im Regen - Plötzlich wollt' ich mehr.
Süße heilige Georgina, Drachentöterin meines Herzens, Erzähl mir von der Liebe, Ihr allein seid mein Begehr.
Ich konnte nicht anders: ich zog eine Grimasse; doch ich überspielte es schnell mit einem verlegenen Kuss. »Mmh. Das ist hübsch«, sagte ich.
»Ich bin froh, dass es dir gefällt, Liebling. Hast du die ...?«
»Die ...?«
Ich kramte im Nachttisch nach dem schamlosen Spielzeug und schlüpfte hinein. Er kontrollierte den Zwickel. Er zog die Satinhandschellen fest. Gut, dass wir ein Bett mit Lattenkopfteil hatten. Dem Himmel sei Dank für Ikea, dachte die schamlose Frau, während sie sich seufzend zurück aufs Kissen warf. Doch das Gedicht - der hässliche Knittelvers - klingelte in meinem Kopf. Ich versuchte mich der Schamlosigkeit hinzugeben,
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