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Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Titel: Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auma Obama
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hatte.
    Viele der Geschichten, die ich von den Alten erfuhr, stimmten mich wehmütig. Als Afrikanerin fand ich es unfassbar, dass so viele Eltern von ihren Kindern im Stich gelassen wurden. Oft kam ich am Ende eines langen Tages bei diesen traurigen Menschen völlig erschöpft nach Hause. Im Vergleich zu ihnen ging es mir sehr gut. Ich hatte meine Familie und immer noch ein Zuhause in Kenia, an das ich gern dachte. Diese Menschen aber fanden an nichts mehr Freude. Viele warteten nur noch auf den Tod. Und das taten wohl auch einige der Verwandten, die sich nicht mehr blicken ließen.
    »Sie werden alle wiederkommen«, prophezeite ein alter Mann eines Tages resigniert. »Sobald ich tot bin. Sie wollen mein Haus.«
     
    Nach kurzen Phasen bei verschiedenen Marketingfirmen arbeitete ich für einen Betrieb im Telemarketing, in dem ich dafür zuständig war, deutsche Kunden für Waren aus dem Bereich der Computertechnologie anzuwerben. Immerhin hatte ich dadurch die Möglichkeit, Deutsch zu sprechen. Ich brachte viele neue Käufer, und nach nicht einmal einem Jahr wurde mir eine Stelle als Projektmanagerin angeboten, nachdem ich parallel zu meiner Tätigkeit am Bracknell College eine entsprechende Fortbildung absolviert hatte.
    Mit der neuen Stelle besserte sich auch mein Gehalt, und ich bekam das Gefühl, endlich einen »richtigen« Job mit einem »seriösen« Titel zu haben. Keiner in der Firma wusste, dass ich promoviert hatte. Bei meiner Bewerbung hatte ich dies tunlichst verschwiegen, aus Angst, wegen Überqualifikation abgewiesen zu werden.
    Die Arbeit war jetzt deutlich anspruchsvoller und somit auch interessanter. Ich übernahm größere Verantwortung, engagierte mich entsprechend stärker und mochte nach wie vor den Kontakt zum Kunden. Doch mit der Zeit missfiel mir, dass bei dieser Marketingtätigkeit immer die Ware und der Gewinn im Vordergrund zu stehen schienen, während die Menschen offenbar eher Mittel zum Zweck waren. Ich aber wollte für Menschen arbeiten und nicht für ein Produkt, zumal für eines, das überteuert und reichlich überflüssig war, da es davon mehr als genug auf dem Markt gab. Für mich musste nicht ständig alles schneller, besser und kompakter sein. Aber gerade das wurde in der Computerbranche erwartet.
    Also schaute ich mich nach etwas Geeigneterem um, nach einer Arbeit mit Menschen, möglichst mit jungen Menschen. Bald gelang es mir, über eine Annonce eine Nebentätigkeit beim Jugendamt von Bracknell zu bekommen. Zweimal in der Woche wurde ich nun in einem zu einem fahrbaren Jugendzentrum umgebauten Bus eingesetzt. Eine entfernte Verwandte, die damals bei mir wohnte, betreute dann meine Tochter.
    Mit dem Bus fuhren wir jedes Mal zu einem bestimmten Ortsteil, in dem das Gefährt den Abend über für Jugendliche offen war. Die meisten, mit denen wir es zu tun hatten, gehörten den marginalisierten Sinti und Roma an.
    Mit jungen Menschen zu arbeiten, gefiel mir außerordentlich. Nicht nur gaben wir ihnen die Chance, in einem sicheren Rahmen mit Freunden zusammenzusein, wir nutzten die Gelegenheit auch dazu, sie über Safer Sex, Drogenmissbrauch und andere Themen aufzuklären. Die drei Stunden im Jugendbus vergingen wie im Flug, und ich spürte, dass ich etwas gefunden hatte, was mir wirklich lag.
     
     
     
     
     

26
     
    Eines Tages erreichte mich während meiner Tätigkeit als Projektmanagerin ein Telefonat meines Bruders Ben. Da in den letzten Jahren immer ich bei der Familie angerufen hatte, versetzte mich dieses Gespräch sofort in Unruhe. In der nächsten Arbeitspause rief ich ihn zurück.
    »Mum ist krank und liegt in einer Klinik«, sagte mein jüngerer Bruder. »Die Ärzte wissen nicht, was sie hat. Du musst irgendwas tun.«
    Obwohl mir Bens Mitteilung einen Schrecken einjagte, musste ich schmunzeln. Wie so häufig in den letzten Jahren erwartete man auch diesmal, dass ich, Auma, die Dinge richtete. Das würde sich wohl nie ändern.
    »Was ist denn mit ihr?«, fragte ich. »Was sagen die Ärzte?«
    »Ach, alles Mögliche. Sie scheinen sich nicht sicher zu sein.«
    »Habt ihr euch denn nicht genauer erkundigt?«
    »Doch, aber sie tappen im Dunkeln.«
    Da Ben mir eine Telefonnummer des Krankenhauses gegeben hatte, in dem sich meine Mutter befand, bat ich ihn, einen Arzt zu holen. Er klang erleichtert, dass ich die Sache in die Hand nahm.
    Schon seit einer Weile hatte sich meine Mutter nicht wohlgefühlt. Jedes Mal, wenn ich mit ihr sprach, hatte sie über Müdigkeit geklagt,

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