Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise
zum Studentenwerk.
Vor dem Büro, das in meinen Unterlagen der Universität als erste Anlaufstelle angegeben war, warteten mehrere junge Frauen und Männer. Ich setzte mich zu ihnen. Endlich war ich am Ziel.
Neugierig beobachtete ich die neben mir sitzenden und vorbeilaufenden Studenten, beeindruckt davon, dass alle Deutsch sprachen, selbst die Ausländer. Aus der Menge stachen die afrikanischen Studenten hervor, nicht nur wegen ihrer Hautfarbe, sondern auch weil keiner von ihnen an mir vorbeiging, ohne in meine Richtung zu schauen und mir freundlich zuzunicken, was ich wie eine solidarische Begrüßung empfand.
Endlich war ich an der Reihe. Ich betrat einen kleinen Raum, in dem ein riesiger Tisch stand. Dahinter saß ein Mann, der wie ein Araber aussah und irgendwie zu groß für das Zimmer wirkte. Er machte einen leicht irritierten, ungeduldigen Eindruck, was ich darauf zurückführte, dass er ganz allein all die Studenten hatte abfertigen müssen, die schon vor mir bei ihm gewesen waren.
Ich lächelte ihn freundlich an. Irgendetwas sagte mir, ich müsse ihn aufheitern. Doch sein Blick ließ nichts Freudiges erkennen.
»Was kann ich für Sie tun?« Ich ahnte, dass ich bei ihm nur auf Deutsch weiterkommen würde.
»Ähh … Ich bin Rita Auma Obama. Ich komme aus Kenia.«
»Na und?«
Ich begriff nicht, was er damit zum Ausdruck bringen wollte.
»Wie bitte?«
»Na und?«, wiederholte er.
»Ich habe Sie nicht verstanden«, sagte ich verdutzt. Seine unhöflich klingende Antwort hatten wir im Deutschunterricht nicht gelernt.
»Was kann ich für Sie tun?« Er klang immer ungeduldiger.
Jetzt war ich es, die irritiert war. Ich hatte angenommen, er wüsste Bescheid. Man hatte mir doch an dieser Universität einen Studienplatz zugewiesen.
»Ich bin hier, um zu studieren.«
»Wie alle anderen Studenten auch, nicht wahr?«, erwiderte er lakonisch und fragte dann laut und entnervt: »Sie wollen sich zum Studium anmelden?«
»Ja, bitte.« Endlich hatte er kapiert. Ich atmete auf.
»Wie war der Name noch mal?«
Ich wiederholte ihn.
Der Mann zog einen Ordner aus dem Regal, in dem er zu blättern begann, bis er unter O das fand, wonach er suchte. Danach gab er mir ein kleines grünliches Heft – mein Studienbuch –, füllte ein paar Formulare aus und klappte den Ordner wieder zu.
»Alles in Ordnung«, meinte er. »Sie können gehen.«
»Und der Schlüssel?«, fragte ich, erneut mit einem Lächeln. Den hatte er wohl vergessen.
»Was für einen Schlüssel?« Offensichtlich war unser Gespräch für ihn beendet. Er war im Begriff, den nächsten Studenten hereinzurufen, warf einen Blick auf seine Armbanduhr und erhob sich.
»Ich meine den Schlüssel für mein Zimmer«, sagte ich und blieb sitzen.
»Welches Zimmer?«
»Das Studentenzimmer.«
Der Mann schaute mich an, als sei ich verrückt geworden.
»Welches Studentenzimmer? Ich habe kein Zimmer für Sie. Ein Zimmer müssen Sie sich selbst suchen.«
Die ganze Zeit über hatten wir Deutsch gesprochen und ich hatte nicht das Gefühl gehabt, als hätte ich etwas nicht mitbekommen. Aber seine letzten Worte wollten meine Gehirnzellen nicht verstehen. In Kenia erhielt man automatisch ein Zimmer zugewiesen, wenn man zu studieren anfing.
»Kein Zimmer?«
»Von mir kriegen Sie das auf jeden Fall nicht!«
Für die Fortsetzung des Gesprächs reichte mein Deutsch nicht mehr aus. Alles Weitere musste ich auf Englisch sagen. Wollte er mir etwa zu verstehen geben, dass ich den langen Weg von Kenia hierher gemacht hatte, um mir anzuhören, man habe kein Zimmer für mich?
»I have no room!« , sagte ich laut und deutlich, jedes einzelne Wort betonend.
»Ich habe auch kein Zimmer für Sie!«, entgegnete er, jetzt sichtlich gereizt.
»You must have a room for me. I wrote!«
»Hören Sie, ich habe kein Zimmer für Sie. Sie müssen in die Stadt gehen, sich eine Zeitung kaufen und sich selbst eins suchen. Ich muss jetzt weitermachen.« Mit diesen Worten ging er zur Tür und öffnete sie. Ich spürte förmlich, wie er mich mit seinen Blicken aus dem Zimmer schob. Mir blieb nichts anderes übrig, als das Büro zu verlassen.
»I cannot find a room. I wrote to you asking for a room. You did not write back to say you had no room. I am here now. I do not speak German and you must get me a room!« Das alles hatte ich in einem Atemzug gesagt, ohne Luft zu holen.
Die Tür stand jetzt weit offen und der nächste Student blickte bereits erwartungsvoll in den Raum.
Plötzlich war
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