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Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise

Titel: Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Auma Obama
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und unser Vater seine Stelle verlor, steckten wir alle in großen Problemen. Ich besuchte ein Internat und kam einigermaßen zurecht, aber Abongo haben die Ereignisse vollkommen aus der Bahn geworfen. Ich glaube nicht, dass er ihnen jemals verziehen hat, dass er all das durchmachen musste.«
    »Wem?«, fragte Barack. Er hatte die ganze Zeit schweigend und nachdenklich dagesessen. Ich schrak auf. Seine Stimme holte mich in die Gegenwart zurück. Ich war so sehr in die Geschichte meines Vaters vertieft gewesen, dass ich die Anwesenheit meines Bruders fast vergessen hatte. Beim Reden war mir klar geworden, dass ich versucht hatte, auch mir selbst Barack senior zu erklären.
    »Seinem Vater, seiner Mutter, Ruth und sogar mir«, antwortete ich traurig. »Die Beziehung zwischen Abongo und mir war schon immer schwierig.«
    »Wie schade. Man hätte doch annehmen können, ihr beide wärt enger zusammengerückt, weil ihr das alles gemeinsam durchgemacht habt.«
    »Stimmt, aber leider war das nicht der Fall. Wir haben es nie geschafft, unsere Schmerzen zu teilen.« Es tat weh, dies zu sagen. Ich hatte jahrelang versucht, Abongo näherzukommen, aber er hatte es nie zugelassen. Obwohl wir in Kontakt blieben und uns hin und wieder miteinander in Verbindung setzten, bestand keine enge Beziehung zwischen uns.
    Ich schaute zu Barack junior, der mir gegenübersaß, und plötzlich wurde mir warm ums Herz. Gott sei Dank hatte ich ihn gefunden. Er schien mich instinktiv zu verstehen, meine Sehnsüchte und Hoffnungen, meine Motivationen und meine Enttäuschungen. Er hörte zu, ohne zu bewerten oder zu urteilen und nahm jedes meiner Worte ernst. Es fühlte sich gut an, zu wissen, dass dies erst der Anfang war, dass er jetzt zu meiner Familie gehörte, zu meinem Leben.
    Während der Zeit bei ihm sprachen wir täglich über die Familie, aber auch über seine Arbeit, über mein Studium und meine Erfahrungen in Deutschland, und ich spürte, dass er sich mit vielen Dingen intensiv auseinandersetzte. Zum ersten Mal hatte ich in meiner Familie jemanden gefunden, mit dem ich wirklich über all das sprechen konnte, was mir wichtig war, ohne dass ich mich ständig selbst erklären und rechtfertigen musste. Unsere Begegnung war für mich wie ein riesiges Geschenk.
     
    Wenn wir einmal nicht zusammensaßen und redeten, zeigte Barack mir Chicago. Wir besuchten gemeinsam Museen, gingen spazieren und einkaufen. Ich posierte vor der Picasso-Statue und ließ mich von meinem Bruder fotografieren.
    Einiges unternahm ich auch allein, während er arbeitete. Ich wanderte durch Chicagos Straßen und schaute mir die schönen Gebäude an.
    Die Tage vergingen sehr schnell. Schon bald trafen Elke und Robert in Chicago ein, wie wir es vor meiner Abreise aus Carbondale vereinbart hatten.
    Wir verbrachten alle eine Nacht in Baracks kleiner Wohnung und frühstückten am nächsten Morgen noch ausgiebig, bevor wir nach Wisconsin aufbrachen.
    Es tat mir leid, mich wieder von meinem neu gewonnenen Bruder verabschieden zu müssen. Ich hatte ihn gerade erst entdeckt und wollte ihn nur ungern wieder loslassen. Der Besuch hatte all meine Erwartungen übertroffen. Nicht nur war mir Barack als Person sympathisch, er war mir auch sofort unglaublich vertraut. In der kurzen Zeit, die wir miteinander verbracht hatten, waren wir uns so nahgekommen, dass es uns tatsächlich gelungen war, die Jahre der Trennung, die zwischen uns lagen, zu überbrücken
    Wir brauchten uns nicht erst zu versprechen, weiterhin in Verbindung zu bleiben. Für uns beide war es eine Selbstverständlichkeit. Als ich ihn, bevor ich in Elkes Wagen stieg, zum Abschied fest an mich drückte, sagte ich nur:
    »Jetzt bin ich an der Reihe, dir meine Gastfreundschaft zu beweisen. Das nächste Mal sehen wir uns in Kenia.«
     
     
     
     
     

18
     
    Ich ließ damals schweren Herzens meinen Bruder und meine beste Freundin in den USA zurück, aber zugleich freute ich mich sehr, Karl wiederzusehen.
    Karl studierte Jura. Bei einer Mitfahrgelegenheit lernten wir uns kennen. Ich verliebte mich in ihn. Bald nach meiner Rückkehr aus Amerika sahen wir uns fast täglich, in allen Einzelheiten erzählte ich ihm von meiner bewegenden Reise.
    Karl war groß gewachsen und sportlich. Er spielte Handball, eine Sportart, die ich bisher nicht kannte. Auch war er ein leidenschaftlicher BAP -Fan. Mir gefiel seine Energie und Ausstrahlung, seine fröhliche Art. Bis heute sehe ich seine Grübchen vor mir, wenn er mich anlächelte oder

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