Das Leben kommt immer dazwischen: Stationen einer Reise
, einen einheimischen Sammelbus. Barack, neugierig auf die Landsleute seiner kenianischen Familie, versuchte auf Englisch ein Gespräch mit dem Fahrer zu führen. Der allerdings antwortete ihm auf Kiswahili, die gängige Sprache an der kenianischen Küste. Er wollte nicht glauben, dass Barack, der mit seiner hellbraunen Haut so aussah wie viele der Küstenbewohner, kein Kiswahili sprach.
»Ich bin Amerikaner«, versuchte Barack zu erklären, als er den irritierten Blick des Mannes sah. Ich nickte zustimmend.
»Wenn er ein Amerikaner ist, warum fährt er dann mit einem Matatu «, fragte mich der Sammelbusfahrer auf Kiswahili.
»Weil er ein armer Amerikaner ist. Er ist Student«, antwortete ich. Ich übersetzte sofort das Gespräch ins Englische, damit auch Barack wusste, warum es ging.
»Arme Amerikaner gibt es nicht!«, mischte sich ein Mitfahrender vom hinteren Teil des Busses auf Englisch ein.
»Doch!«, erwiderte Barack. »Sie haben gerade einen vor sich.«
»Er ist aber auch Luo«, fügte ich stolz hinzu.
»Also, das erklärt einiges«, sagte der Fahrer und lachte laut. Wobei mir nicht klar war, worauf sich das bezog, auf seine mangelnden Kiswahili-Kenntnisse oder seine Armut.
Die Mitfahrenden wollten jetzt mehr über den seltsamen Amerikaner wissen und stellten ihm viele Fragen. Als wir aus dem Matatu ausstiegen, hatten wir das Gefühl, als würden uns gute Freunde verabschieden, auch wenn auf dem ganzen Weg Passagiere aus- und dazugestiegen waren.
Am Eingang unseres Hotels wurden wir von einem missmutigen Wächter begrüßt. Wir ließen uns unsere gute Laune aber dadurch nicht verderben. Das Wetter war herrlich und das Meer verlockend blau. Wir schwammen und faulenzten, ich zeigte meinem Bruder die Altstadt von Mombasa und Fort Jesus, eine Festung mit wechselvoller Geschichte. Die Briten benutzten den Ort während ihrer Kolonialzeit unter anderem als Gefängnis.
»Nur wenige Kenianer machen hier Urlaub«, erklärte ich meinem Bruder, als er mich darauf aufmerksam machte, dass es hier offensichtlich kaum schwarze Touristen gäbe.
»Das ist ja schade. Es ist wirklich schön hier, und schon der Geschichte wegen sollten mehr Kenianer hierherkommen«, erwiderte Barack.
»Leider ist es für die meisten zu teuer. Und selbst wenn sie Geld haben, sind sie nicht immer willkommen«, sagte ich.
»Hoffentlich ändert sich das bald.« Nachdenklich schaute mich mein Bruder an.
Ich hatte ihn schon vor den Touristenhotels gewarnt und dass man als Afrikaner dort nicht ohne Weiteres als Gast akzeptiert wird. Gerade schwarze Frauen mussten das vielfach erfahren, in der Regel hielt man sie für Prostituierte.
Jahre später erlebte ich, wie die Betreiber von touristischen Einrichtungen an der Küste durch die politischen Unruhen gezwungen waren, sich um einheimische Urlauber zu bemühen. Da ausländische Touristen ausblieben, mussten die Hotels sich umorientieren und im eigenen Land um Kundschaft werben.
Als es Zeit war, Abschied voneinander zu nehmen, war Barack für mich zu einem Bruder mit gemeinsamen Erfahrungen geworden. Für uns beide stand fest, dass wir in enger Verbindung bleiben wollten.
21
Die Liebe war es, die mich dazu brachte, dass ich Kenia nach einem Jahr verließ und nach Deutschland zurückkehrte. Sicher, ich wollte auch promovieren – aber ohne meine Sehnsucht nach Karl wäre ich möglicherweise in meiner Heimat geblieben. In den vergangenen zwölf Monaten hatte ich mich sehr wohlgefühlt und beruflich mehr erreicht, als ich anfangs vermutet hatte.
Gut, nun war ich wieder in Deutschland. Meine Promotion wollte ich bei Professor Alois Wierlacher schreiben, aber da er in meiner »Auszeit« nach Bayreuth gegangen war, konnte ich nicht länger in Heidelberg bleiben – ich musste ebenfalls in die Wagner-Stadt ziehen. Zum Glück lebte Karl inzwischen in Nürnberg, um dort sein Jurastudium zu beenden, damit war er nur eine Auto- oder Bahnstunde von mir entfernt. So oft wie möglich besuchte ich ihn. Er mich aber leider seltener in Bayreuth, sodass ich in dieser Stadt nur wenige Kontakte hatte und mich dort oft sehr einsam fühlte. Fast unbemerkt führte dies – unter anderem – dazu, dass ich mit unserer Beziehung immer unzufriedener wurde. Mir war, als zöge ich an einem Strang, der nicht nachgab.
Zu allem Überfluss lief auch in meinem Studium nicht alles so, wie ich es mir vorgestellt hatte. Mein Promotionsthema, bei dem es um die Arbeit in der deutschen
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