Das Leben meiner Mutter (German Edition)
leicht! Du tust ja grad’, als wenn ich erst fragen hätt’ müssen, was ich tun soll! Bist du vielleicht der Vormund von meinen Töchtern? Ich hab’ bis jetzt gewußt, was ich zu tun hab’, und werd’ es auch weiter wissen! Nach dem Müller März fragt kein Herrgott und kein Teufel!« Sie war blaß vor Erregung, und ihr Trotz bäumte sich. Verfeindet gingen Bruder und Schwester auseinander. – –
Wie alles einmal vergeht und alles einmal kommt, so verstrich auch der diesmalige Winter mit all seinen Erregungen. Die frischen Märzwinde fegten die Wolken aus dem Himmel und den letzten Schnee von den Flächen. Aus den dampfenden Tälern um Aufkirchen stiegen in jeder Frühe dichte Nebel, die sich jedoch in der wärmer werdenden Sonne rasch verflüchtigten. Am Mittag waren die mit glasdünnen Eiskrusten überzogenen Rinnsale der steifgefrorenen Straßen bereits geschmolzen und flossen als klare Wasseräderchen dahin. An den kahlen Zweigen der Bäume zeigten sich nach und nach winzige Knospen, und in der würzigen Luft klang das erste, schüchterne Gezirp der allmählich wiederkehrenden Singvögel.
Endlich war also auch der Hochzeitstag von Maxl und Resl da. Zeitig am Morgen fuhr der Aufhauser »Kuchlwagen« über Aufkirchen nach Berg. Er wurde viele Male aufgehalten, und der Knecht, der ihn fuhr, mußte spenden und spenden. Als das schmucke, hochbeladene Fuhrwerk in Berg einfuhr, begegnete es der glattgewichsten, verzierten Kutsche vom Wiesmaier, in welcher der Maxl und der Lorenz saßen. Die Kathl war daheimgeblieben und konnte sich wegen ihrer Leibesdicke nicht mehr sehen lassen. Die Stellmacherin hatte neben dem Kutscher auf dem Bock Platz genommen. Sie fuhren nach Aufhausen, um die Braut abzuholen. Dort war alles schon bereit. Die Bäuerin und alle ihre Töchter standen im prangenden, silberverschnürten Mieder in der Kuchl. Die goldgewirkte Riegelhaube saß auf ihrem Schopf. Nur die Resl trug einen künstlichen weißen Maiglöckchenkranz im Haar. Alle hatten feierlich ernste Gesichter und redeten wenig. Im Hof standen die bessere und die mindere Chaise, die sie nach dem Pfarrort bringen sollten. Die Pferde davor wieherten ab und zu und scharrten unruhig.
Als nun die »Bäckerischen« einfuhren und kurz darauf der Maxl im Rahmen der Kuchltür auftauchte, mit heiter strahlendem Gesicht – da fing die Resl auf einmal zu weinen an. Sie sah und hörte nichts mehr. Mechanisch drückte sie Maxl die Hand, und er stellte sich neben sie. Die Stellmacherin und der Lorenz waren auch in die Kuchl gekommen. Man grüßte einander und redete irgend etwas. Die Resl aber blieb fassungslos.
»Ja also, gehn wir! Es wird Zeit!« sagte die Heimrathin. Da aber geschah es, daß die Resl fast starr auf dem Platz stehen blieb, scheinbar, als wehre sie sich. Ihre verwirrten, tränenvollen Augen, ihr verstörtes Gesicht machten einen mitleiderregenden Eindruck auf alle. Sie schluchzte noch viel schmerzlicher auf. Ja, nun erst, da sie wirklich von dem Stück, das alle ihre Erlebnisse und Erinnerungen, die Freuden und Leiden ihrer Jugend umschloß, wegging, schluchzte sie wahrhaft verloren wie ein hilfloses Kind, dem man das Liebste auf Erden genommen hatte. Da sagte die Heimrathin ein wenig verärgert und rauh: »Resl, das hätt’st du dir schon früher überlegen müssen! … Geh weiter jetzt!« Und sie sah ihre zerbrochene Tochter fest an und sagte wiederum, aber um einen Grad milder: »Resl! Jetzt zier dich doch nicht gar so! Man ist ganz einfach füreinander bestimmt!« Dies erst gab der Erschütterten wieder halbwegs die Fassung. Auf der ganzen Fahrt nach Aufkirchen saß sie schweigsam neben dem Maxl, ließ ihre Tränen rinnen und trocknete sie nicht. Hinter ihnen fuhren in der einen Chaise die zwei Mütter mit dem Lorenz und der fortwährend verlegen lächelnden Nanni, in der anderen saßen die Genovev, die Marie und die Kathrein.
Der Tag war frisch und aufgehellt. Rundherum roch es nach Keimen und Wachsen. – »Resl«, sagte der Maxl einmal sanft, »sie hat schon recht, deine Mutter. Man ist füreinander bestimmt!« Sie gab keine Antwort, und er schwieg auch wieder.
Die Trauung am Altar war bald vorüber. Viele Neugierige hatten sich in der Kirche eingefunden: Berger Hofleute, die Strauchs von Leoni, die Wiesmaiers und Klostermaiers, der Daiser, der Schmalzer-Hans und sonstige Bekannte. – Erst nach dem Mahl im festlich geschmückten Klostermaier-Saal konnte die Heimrathin ganz deutlich sehen, wie beliebt ihr
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