Das Leben meiner Mutter (German Edition)
Er lobte und ermunterte sie. Stets betonte er, daß sie die Frau des Hauses sei. Doch die Resl konnte und wollte nicht befehlen, sie konnte nur eins: arbeiten! Alles andere begriff sie nicht, und es machte sie unsicher. Am glücklichsten war sie im Stall bei den Kühen. Mit dem Schmalzer-Franz, der das Pferd versorgte, schien sie ein viel näheres, echteres menschliches Verhältnis zu haben als mit allen anderen Leuten im Hause. Er war ein Knecht wie die Knechte in Aufhausen, mit denen sie sich stets aufs beste verstanden hatte. Der Bäckergeselle dagegen – ein Mensch aus der Stadt, der sein Sonderleben führte – konnte sie ruhig ein bißchen von oben herab behandeln. Sie fand das ganz in der Ordnung und begegnete diesem Mannsbild mit sichtlicher Scheu. Sie wusch seine Wäsche, sie wusch die Windeln der Kathl, sie wusch und flickte für alle. Als der Maxl das entdeckte und aufgebracht wurde, tat es ihr fast weh, daß er etwas dagegen hatte. Sie empfand seine gutgemeinten Worte als Schimpf und blickte ihn hilflos an. Am liebsten hätte sie gesagt: »Was hast du denn? Laß mich doch arbeiten! Dazu bin ich doch da!«
Doch sie ließ ihn reden. Das ärgerte den Maxl. Nichts auf der Welt war ihm so verhaßt als so ein stummes Dulden, dieses unbegreifliche Unterordnen, diese fast willenlose Gutmütigkeit und Demut. Er wollte erklären, doch als er merkte, daß die Resl ihn nicht begriff, kam er wirklich ins Schimpfen.
»Ja, Herrgott, Resl, begreif doch, daß dir niemand was anschaffen kann! Was du im Haus sagst und willst, gilt! Keiner kann dir was sagen! Versteh mich doch! … Resl? Herrgott, zum Teufel, versteh doch!« rief er und verbot ihr geradezu, sich von den anderen ausnützen zu lassen. Sie aber bekam nur ein trauriges Gesicht und erwiderte: »Ja, hm, aber gewaschen muß das Zeug doch werden!« Was half da alles Dawiderreden! Bald stellte sich heraus, daß Maxls und Resls Ansichten grundverschieden waren. Anfänglich tröstete sich der Maxl im stillen damit, daß sich sein junges Weib erst einmal eingewöhnen müsse und sich im Laufe der Zeit ändere, langsam aber sah er ein, wie steinhart gleichartig die Resl blieb, und er litt mehr darunter, als er zugeben wollte. Oft und oft benahm er sich gereizt. Kein Wunder, daß die Resl nun, da sie täglich und stündlich mit ihm zu tun hatte, ihren Mann keineswegs mehr als den übermütig heiteren Wirtshausmenschen, sondern als einen übellaunigen, streitsüchtigen, rechthaberischen Raunzer empfand, dem man am besten nie widersprach und überall schweigend nachgab. Vielleicht fühlte der Maxl das, denn er wandte sich wieder anderen Dingen zu und redete seinem jungen Weib nichts mehr ein. Das war schmerzlich für ihn. Jahrelang hatte er sich danach gesehnt, einen gleichgestimmten Menschen zu finden, der an all dem, was ihn bewegte und anspornte, mit Herz und Hirn teilzunehmen fähig war. Seine Hoffnung hatte ihn getäuscht. Gern hätte er der Resl sein ganzes Innere aufgetan, hätte ihr gegeben, was er geben konnte – aber es war, als liege seinem Weib gar nichts daran, als begreife sie ein solches Füreinanderleben gar nicht. Mit verschwiegener Verdrossenheit bemerkte er zum Beispiel, daß die Resl den stillen, wortkargen Lorenz viel lieber hatte als ihn. Ihm kam vor, als verstünden sich die beiden, obgleich sie nur wenige Worte miteinander wechselten, ausgezeichnet. Das tat ihm wohl und wehe zugleich. Er beneidete den Lorenz und die Resl um ihre schlichte Zufriedenheit. Er freute sich, daß sie so gut miteinander auskamen, und er sann vergeblich darüber nach, was denn daran schuld sei, daß die Resl ihn nicht begriff, daß sie sich ihm gegenüber fast furchtsam verschloß, daß sie nie eine eigene Meinung äußerte und alles mit gehorsamer Geduld über sich ergehen ließ. Ein leichtes Mitleid erfaßte ihn mitunter, wenn er sie ansah, nachdem er ihr diesen oder jenen Plan erklärt hatte.
»Was meinst du dazu, Resl«, fragte er und schaute in ihre Augen. Fast verlegen wurde er und redete weiter, aber es war immer das gleiche.
»Ja, hm, mein Gott, du bist doch das Mannsbild, Max!« sagte sie dann endlich, und er brach das Gespräch ab. Stets hatte er den bitteren Eindruck, als sei ihr eigentlich gar nichts von dem, was er vorschlug, recht, und er wurde grämlich darüber. Immer war ihm, als stehe sie nur da, ungewollt die Arbeit unterbrechend, und warte nur darauf, daß sie wieder weiterwerkeln könne. Noch schmerzlicher war ihm, daß die Resl an den ruhigen
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