Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
Vom Netzwerk:
Schwiegersohn war. Er mußte sich bei vielen besseren Leuten für die Geschenke, die er erhalten hatte, bedanken. Ihm und der Resl wurde gratuliert. Es war ein langes Händedrücken. Linkisch und mit gefrorenem Lächeln nickte die Resl, wenn der Maxl sie vorstellte. Sie ließ alles mit sich geschehen wie ein Mensch, der sich ohnmächtig seinem Geschicke ergibt. Endlich kam eine leichte Lustigkeit auf, als es nach dem Bier auch Wein gab, als man lauter wurde und zu tanzen begann. Nun schien sich auch die Starrheit der Resl etwas zu lockern. Nur in ihren Augen glomm noch immer eine traurige Abwesenheit.
    Der ganze Saal wirbelte zuletzt von Tanzenden. Immer mehr Gäste kamen und tranken weidlich. Sie ließen den Maxl oft und oft hochleben und stießen ihre Gläser oder Krüge aneinander. Es dauerte bis zum ersten Dämmer, und jeder sagte, so eine lustige, schöne Hochzeit habe er noch nie mitgemacht.
    Noch einmal, als die Aufhauser heimfuhren und der Maxl mit der Resl in die Wiesmaierkutsche stieg, packte die Braut eine jähe, aber nur kurze Erschütterung. Sie weinte wieder und umschlang Mutter und Schwestern. Sie sagten ihr tröstliche Worte, und die anderen Gäste lachten betrunken auf dem weiten Platz.
    »Es wird schon sein Glück! Er wird richtig durchbrechen!« flüsterte der Schmalzer-Hans dem Lorenz und dem Daiser-Hans zu, als das Gefährt mit den Brautleuten aus dem Pfarrdorf rollte. Nach altem Brauch nämlich hatte er sich während des Tanzes weggeschlichen, war nach Berg ins Bäckerhaus gelaufen und hatte die Seitenbretter der Ehebetten aus den Haken gehoben. Als der Maxl und die Resl sich hinlegten, fielen sie plumpsend auf den knarrenden Kammerboden.
    »Juchhe!« schrie der Maxl schnell gefaßt und lachend auf und schaute auf sein junges Weib. »Wir kriegen richtige Kinder, Resl! Und Glück, viel Glück haben wir!« So ein Durchbrechen galt als Beweis dafür.
    »No ja, wenn’s nur wahr ist!« antwortete die Resl auch leicht belustigt und half ihm, die Bettbretter wieder einzuhängen.
    Drunten auf der Straße schrien der Schmalzer-Hans und der Daiser spottend: »Wir haben’s schon krachen hören! Gut seid’s ihr durchgefallen! Juchhe, Maxl!«
    Laut lachend gingen sie weiter …

Nochmalige Beschwörung oder Die unbekannte Ursache und eine immerwährende Wirkung
    Wie mag der Resl zumute gewesen sein, als sie am anderen Tag erwachte und auf einmal ganz kraß die peinigende Fremde um sich fühlte? Die niedere Ehekammer, die unordentlich herumliegenden Kleidungsstücke, der sorglos schnarchende, bierdunstige, bärtige Mann im andern Bett, das ungewohnte Geräusch des erwachenden Dorfes, der Geruch nach leichtem Schweiß und frischgebackenem Brot und – ach! – die erbarmungslose, seltsame Grellheit, welche die vier nur mit durchsichtigen Scheibengardinen bekleideten Fenster im Raum verbreiteten! Ist’s denn nicht, als spähten die neugierigen Nachbarn lauernd herüber, um sich nichts entgehen zu lassen? Unmöglich, hier aus dem Bett zu steigen, ohne seiner natürlichen Schamhaftigkeit Gewalt anzutun! Wenn doch der Maxl endlich die Augen aufschlüge! Wie sollte sie nur ohne ihn in die Stube hinuntergehn zu den fremden Leuten? Wohin war das wohltuende Fluidum des geborgenen Daheimseins verweht? Nie mehr wieder die Stimme der Mutter am Morgen hören, nie wieder die Schwestern, die Knechte und Mägde täglich sehen, nie wieder im Sommer auf den weiten Feldern mähen und ernten oder im Winter in der hohen Tenne dreschen! So nahe Aufhausen, und doch gleichsam ausgestoßen aus der wunderbar vielfältigen, heiter und traurig unterhaltsamen Gemeinschaft! – Alles nie, nie wieder!!
    Zweifellos bangte die Resl jedem Morgen so entgegen. Am Tage, wenn sie nur einmal arbeitete, wurde sie ruhiger. Da wurde die Schwere in ihrer Brust ein wenig leichter. Aber in der Frühe, mittags und nach Feierabend, wenn sie mit den Grafs zusammensaß, kam sie sich stets vor wie eine Magd, die kürzlich den Dienst angetreten hatte und nur geduldet wurde. Die Stellmacherin mochte sie nicht, die Kathl ging ihr aus dem Weg und redete nur das Allernötigste mit ihr, der Zwerg sah sie stets staunend und abweisend an, und nur mit dem Maxl und dem Lorenz fand sie sich zurecht. Der Maxl war ihr gegenüber nett, freundlich und machte viel Späße, die sie aufmuntern sollten. Es entging ihm nicht, wie kleinmütig sein junges Weib in dieser neuen Umgebung war. Er versuchte bei jeder Gelegenheit, ihr ein wenig Selbstbewußtsein beizubringen.

Weitere Kostenlose Bücher