Das Leben meiner Mutter (German Edition)
Weiberbauch geschloffen ist, einer gewesen von denselbigen, als welche die Unsrigen seinerzeit verraten, gehetzt, gebrandschatzt und inquisitiert haben.« – Darüber, zwischen die Zeilen hineingekritzelt, befanden sich die kaum entzifferbaren Worte: »Ganz genau … nichts übersehen … Schwarzer Peter sagt, Albi … Unsrige Waldische in Salzburg, Pinzgau …«
Man weiß allgemein, daß die Anhänger des edlen Peter Waldes von der südfranzösischen Landschaft Languedoc ausgingen und ihren Hauptsitz in der Stadt Albi hatten, weswegen sie auch vielfach nach dem Volksstamm der »Albigenser« benannt wurden. Sie breiteten sich im letzten Viertel des zwölften Jahrhunderts, insbesondere nach den grausigen »Albigenserkriegen«, über ganz Süd- und Mitteleuropa aus. Waldenser gab es am unteren und mittleren Rhein, in Bayern, in Böhmen, in der Lombardei, in Tirol und Salzburg. Bezeichnend ist, daß sich ihre Bruderschaften meist aus Handwerkern und kleinen Bauern zusammensetzten. Ihr Ziel war: eine soziale Gemeinschaft von Gleichen, in welcher der Grundsatz des gegenseitigen Helfens oberstes Gesetz war. Sie lebten – jeder von ihnen ein schönes Beispiel dafür – fromm, brüderlich und friedlich mit allen Menschen zusammen, waren bedürfnislos, tüchtig, nüchtern und ungemein fleißig. Deswegen achtete man sie überall, und ihr Einfluß stieg und stieg. Ihre Schriften, die sich auf die Bergpredigt stützten, waren wohl die ersten dieser Art, die in der jeweiligen Volkssprache geschrieben waren. Sie wurden viel gelesen. Ohne Fanatismus, nur wirksam durch ihr beispielgebendes, tätiges Christentum, traten die Waldenser gegen das leere Dogma der Kirche auf. Nachweislich hat das unduldsame Papsttum, dem an dieser Bewegung insbesondere der soziale Charakter gefährlich erschien, über zweihundert Jahre gebraucht, um sie gänzlich auszurotten. Auf welche Weise Rom diesen Vernichtungsfeldzug durchführte, bekunden die Historiker jener Zeit. Bei einem kann man darüber lesen: Die Verbreitung des Waldensertums alarmierte die Kirchenbehörden. An eine durchgreifende Inquisition war vorläufig nicht zu denken, da die Bevölkerung gegen die Einmischung der Bischöfe war und besonders eifrige Inquisitoren gewaltsam hinwegräumte. Die Kirche griff deshalb zum Mittel der Kreuzzüge gegen die südfranzösischen Ketzer. Alle Gläubigen wurden aufgefordert, sich für den Preis eines Ablasses ihrer Sünden an dem heiligen Krieg zu beteiligen. 1180 wurde der erste Kreuzzug gegen Südfrankreich unternommen, der gar nichts ausrichtete, da die Grafen von Languedoc die Angriffe zurückwiesen. 1195 wurde Graf Raimund VI. von Toulouse mit dem päpstlichen Bann belegt, aber auch diese Maßregel blieb erfolglos. Die Kirche sandte sodann geistliche Missionen nach Languedoc, um die Ketzer zu bekehren. Einer dieser Missionen gehörte Dominik de Guzman, der Gründer des Dominikaner-Ordens, an. Auch ihre Bemühungen waren fruchtlos. Der Papst griff wieder zum Mittel der Kreuzzüge und gab dem Kreuzheer die Weisung, das »divide et impera« zu beobachten, das da heißt: den heiligen Krieg nicht mit dem Angriff auf den mächtigen Grafen von Toulouse zu beginnen, sondern vorerst die schwächeren Gegner einzeln anzugreifen. Der heilige Krieg wurde unter Leitung Simons von Montfort im Jahre 1209 mit großer Energie begonnen. Béziers und Carcassonne wurden erstürmt, wobei viele Tausende waldensischer und katholischer Einwohner ihr Leben verloren. Bei der allgemeinen Schlächterei fielen sowohl Rechtgläubige wie Ketzer dem Schwert der Kreuzfahrer zum Opfer. Als die Kreuzfahrer bei der Erstürmung von Béziers doch einigermaßen zauderten, die Schlächterei allgemein zu machen, weil auch gute Katholiken getötet werden könnten, rief ihnen der päpstliche Legat, der Abt Arnold von Citeaux, zu: »Caedite eos; novit enim Dominus qui sunt eius!«, was der Dichter Lenau in seinen ›Albigensern‹ folgendermaßen übersetzt:
»Der Abt entgegnet: dessen ist nicht Not,
schlagt Ketzer, Katholiken, alle tot.
Wenn sie gemengt auch durcheinanderliegen,
Gott weiß die Seinen schon herauszukriegen.«
Diese Feldzüge dauerten bekanntlich bis zum Jahre 1244, und das französische Königtum, das die mächtigen Grafen von Languedoc vernichten und Südfrankreich unter die Herrschaft der Krone bringen wollte, half kräftig mit. Im zweiten Band von Leas ›Geschichte der Inquisition‹ ist dieses Ergebnis zu lesen:
»Im zwölften Jahrhundert war Südfrankreich
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