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Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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den Bauern im Wirtshaus. Er hatte nichts gegen anstößige Ausdrücke und Bezeichnungen, er vergalt auch manchen eilig hingeworfenen Fluch, indem er lustig rügte: »Hoho, nur nicht gar so hitzig, Bauer! Aber nur keine Angst, da hast wieder was zu beichten!« Er trank nicht zu viel und nicht zu wenig, aber das Bier schmeckte ihm stets. Alles in allem: er war ein vollsaftiger, kluger, überaus einnehmender Mensch ohne Überheblichkeit, der durch sein schönes Beispiel jedem vor Augen führte, daß ein guter Katholik absolut kein sauertöpfischer Patron zu sein braucht. Die Pfarrei war stolz auf ihn. Mehr als alle seine Vorgänger wurde er respektiert und geliebt.
    Zu ihm kam einmal die alte Heimrathin, die nun auch schon Austragsbäuerin geworden war und der Genovev den Hof übergeben hatte. Der Peter Wach war Heimrathbauer geworden. Die anderen Töchter hatten sich nach und nach verheiratet, zwei davon – die Marie und die Kathrein – waren Bäuerinnen weit drüben, am anderen Ufer der Isar, geworden, und die Nanni hatte den Zimmermann Strobel in Beuerberg zum Mann bekommen. Keine der Schwestern fand etwas zu klagen.
    Wie sie jetzt so vor dem Geistlichen in der holzgetäfelten Pfarrstube saß, die hutzlige, zahnlose eisgraue Heimrathin, da fing sie auch von ungefähr über ihre Töchter und deren Männer zu reden an. Nur am Bäcker-Maxl von Berg hatte sie einiges auszusetzen. Nicht daß er etwa eine schlechte Partie gewesen wäre, nein, das nicht, aber – meinte sie zögernd und resigniert, indem sie zum Pfarrer aufschaute – mit der Religion nähmen es die Bäckerischen ganz und gar nicht ernst, und zum Leidwesen der Resl hätten es auch die Kinder nicht mit dem Beten. Sie hüstelte trocken und umkrampfte mit ihren faltigen Händen den Griff ihres dicken Stockes fester.
    »Gut kann das nicht gehn, Hochwürden! Segen bringt’s nicht«, brachte sie endlich wieder heraus und wischte sich den Schweiß aus dem hageren Gesicht, denn sie trug das schwere, dicke Gewand, und draußen prangte die erste heiße Frühjahrssonne über den Feldern. Es war nach dem sonntäglichen Hochamt. Der Duft des Bratens durchzog den Raum, und der Pfarrer schnupperte behaglich daran.
    »Soso? Hm«, machte er dann, ging hin und her, blieb großmächtig vor der sitzenden Bäuerin stehen und sagte mit seiner vollen Stimme, in welcher eine leichte Ungeduld mitschwang: »Ich weiß nicht, ich hör’ soviel vom Bäcker Graf! Aber ich kann nichts Nachteiliges an seinem Lebenswandel finden. Die Leut’ leben rechtschaffen zusammen. Mir scheint, bei dem Gerede spricht bloß der Neid mit. Der Graf ist recht tüchtig. Ich seh’ ihn und seine Resl jedesmal beim Hochamt. Dem Graf ist, soviel mir bekannt geworden ist, jetzt sogar der Hoflieferantentitel angeboten worden!
    Seine Majestät zeichnet keinen unrechten Menschen aus, Heimrathin! Und die Kinder? Hm! Die sind doch noch gar nicht schulpflichtig! Bis dahin hat’s doch noch Zeit.« Die Heimrathin hörte das Richtige heraus. Sie richtete sich mühsam auf und sagte nur noch: »Jaja, freilich, freilich, Hochwürden! Ich wollt’ ja auch nichts gesagt haben …« Dann gab sie die Totenmesse für ihren seligen Ferdinand an, und der Pfarrer drückte ihr die Hand. »Plapperweiber!« brummte er vor sich hin, als er allein war.
    Richtig, anfangs März war ins Berger Bäckerhaus einmal der königliche Kabinettssekretär gekommen. Er hieß jetzt Hesselschwerdt, kam weder aus dem Adel noch aus der Beamtenschaft und war früher Furier gewesen.
    Der König legte schon lang keinen Wert mehr auf eine ausgewählte Umgebung. Hesselschwerdt, ein stiernackiger, vierschrötiger Mensch, der eine betonte Leutseligkeit zur Schau trug, grüßte die Resl flüchtig und verlangte laut nach dem Maxl. Als der in den Laden kam, rief der Sekretär trompetend: »Graf! Ich bring’ Ihnen eine großartige Botschaft! Majestät gibt Ihnen den Hoflieferanten-Titel! Was sagen Sie jetzt?« Er maß den Maxl gönnerhaft wie ein Mensch, dem es leicht fällt, Wohltaten auszuteilen. Sein fleischiges, etwas ordinäres rotes Bartgesicht wurde aber schnell wieder anders. Der Maxl, der von der Titelverleihung schon vom Küchenchef bei Hof gehört hatte, war gar nicht sonderlich verblüfft und sagte nicht im mindesten überrascht: »Besten Dank, Euer Gnaden, sehr schönen Dank! Die Ehr’ ist schön, jaja – aber, Sie entschuldigen schon, andere Leut’ sind auch tüchtig … Ich will keinen Neid und keine Feindschaft, Euer

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