Das Leben meiner Mutter (German Edition)
Gnaden.«
Hesselschwerdts Miene wurde ungnädig. Er runzelte die Stirn. »Neid und Feindschaft? Was soll das heißen? Majestät gibt nur nach Verdienst!« fing er fast zu poltern an, daß die schweigend dabeistehende Resl ein ängstliches Gesicht bekam.
»Ich rate Ihnen, überlegen Sie sich, was Sie sagen, Herr Graf! Machen Sie bald die Eingabe! Es handelt sich dabei ja nur um eine Formalität, aber abschlagen? Wo denken Sie denn hin, Menschenskind!« schimpfte jetzt der Kabinettssekretär bereits, doch der Maxl ließ sich nicht einschüchtern und nahm die Papiere in Empfang, auf denen verschiedene Erklärungen über die Erlangung der Hoflieferanten-Würde standen.
»Euer Gnaden entschuldigen, ich bin ein einfacher Mensch«, versuchte er bieder einzulenken und setzte hinzu: »Ein Geschäftsmann hat’s nicht so leicht … Allerbesten Dank für die Gunst Seiner Majestät.«
»Na also! Ich hab’ doch gewußt, daß Sie ein vernünftiger Mensch sind, Herr Graf! Sie haben ja Zeit. Die Eingabe muß bis zum ersten September gemacht sein. Zu Neujahr haben Sie den Titel!« antwortete auch Hesselschwerdt wieder beruhigt und verabschiedete sich. Als er draußen war und resolut davonstapfte, wandte sich der Maxl an die verdatterte Resl und verzog seinen Mund ein wenig. Geringschätzig wiegte er die amtlichen Papiere und meinte: »Ich bin der Bäcker Graf, sonst nichts. Der Titel macht’s nicht. Unsere Kinder sollen keine besseren Menschen sein wie die anderen, das hilft ihnen später nicht weiter …«
Aber es war ihm anzusehen, daß er sich doch freute. Die Resl schaute ihn an und fragte: »Aber das kannst du doch nicht! Der König will’s doch!« – – »Jaja, aber um den guten König steht’s schlecht«, meinte der Maxl, »wer weiß, was da noch passiert. Es gefällt mir gar nicht, was man so hört …«
In den Zeitungen, in den Wirtshäusern, überall ging seit Monaten ein verdächtiges Reden um, dunkle Andeutungen und heftige Ausfälle gegen Ludwig einerseits und gegen die Münchner Hofkamarilla andererseits schwirrten von Zeit zu Zeit in die Öffentlichkeit. Weite Kreise sprachen von einer ernstlichen Gemütskrankheit des Königs, und auch das Landvolk erfuhr davon. Das Leben, das Ludwig II. in den letzten Jahren führte, war so absonderlich, die Gerüchte, die über seine Marotten verbreitet wurden, klangen derart unglaublich, daß selbst der einfache Mensch unsicher wurde und daran zweifelte, ob denn ein solcher Landesherr noch ganz bei Verstand sei.
Vom Schmalzer-Hans hatte der Maxl allerhand erfahren, das nicht für andere Ohren bestimmt gewesen war. Zum Beispiel, daß der König nicht mehr vertrage, seine Dienerschaft von Angesicht zu Angesicht zu sehen, daß diese Diener stets bis zur Erde gebeugt vor dem hohen Herrn erscheinen müßten und wehe, wenn einer den Buckel nicht tief genug krümme! Da gäbe es Faustschläge und Fußtritte, ja einige seien sogar gewürgt worden, und jetzt müsse der Leibdiener auf königlichem Befehl eine schwarze Binde über das untere Gesicht tragen, nur die Augen, die Stirn und das Haar dürften sichtbar sein.
»Und ganz unter uns, Maxl, ganz unter uns – wenn man das anschaut, kriegt man das Grausen«, erzählte der Hans weiter, »dabei hat der König alle besseren Herren davongejagt. Den guten Grafen Holnstein, hm, sagen tut man, den Stallmeister Hornig will er auch wegtun … Den miserabligen, hinterlistigen Hesselschwerdt, den mag er, weil er kriecht und schmeichelt. Mein Gott! Ich kann dir sagen, in der Stadt drinnen, die Prinzen und Minister haben schon allerhand im Sinn, aber was, weiß kein Mensch.«
Die Bauwut des Monarchen hatte sich ins Phantastische gesteigert. Millionen und Millionen hatte Herrenchiemsee verschlungen, ein weitläufiges Schloß auf der gleichnamigen Insel des größten bayrischen Sees, ein Bau – fast sklavisch getreu dem Versailler Königspalast nachgebildet – von überladener Pracht mit einer Spiegelgalerie, in welcher beim Besuch des Monarchen dreitausend Kerzen leuchteten. Sieben volle Jahre hatten dreitausend Frauen trotz aller Überstunden in den Lyoner Seidenwebereien allein an den kostbaren Vorhängen für Herrenchiemsee gestickt. Alle Gemächer waren nach denen von Versailles benannt. In einem Raum hingen sieben Porträts des »roi soleil«, im nächsten acht, etwas über hundert im ganzen zierten die Wände des Schloßinneren. Niemand aber betrat jemals diesen strotzenden Riesenbau bei Lebzeiten des Königs als er
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