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Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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nieder und bog eine Blume gerade, richtete einen Kranz. Der neue Pfarrer sang mit seiner etwas blechernen Stimme. Wieviel schöner und voller hatte die vom Joseph Jost geklungen! Sein Nachfolger war ein enger Eiferer, und er sagte auch bei der Predigt nicht mehr »Brüder und Schwestern«, sondern »meine christkatholischen Zuhörer«.
    Der Maxl machte zwar all diesen »abergläubischen Firlefanz«, wie er religiöse Gepflogenheiten nannte, mit, doch er verschwand stets sehr schnell aus Kirche und Gottesacker, um mit dem Fahrrad irgendwelche weitentfernten Wirtshäuser oder Familien aufzusuchen, die eine heiratsfähige Tochter hatten.
    Vierzehn Tage nach Allerseelen schickten die Roßkopfs einen Brief mit einem Trauerrand. Sie schrieben, daß die Kathl unverhofft gestorben sei. Die übliche, gedruckte Todesanzeige hatten sie wahrscheinlich als unnütze Ausgabe angesehen.
    Der Tod seiner liebsten Schwester traf unseren Vater tief. Er fuhr in die Stadt und kam – wütend nach Hause. Wiederum hatte er sich grimmig mit den Roßkopfs verzankt.
    »Leichenkosten und Grab hab’ ich bezahlt!« erzählte er unserer Mutter. »Vor lauter Geiz hätten sie die Kathl ganz billig verscharren lassen. Und da, den Grabstein hab’ ich bestellt … Der Spruch kommt auf die Marmorplatte.« Er zeigte die Abbildung aus einem Katalog und hielt der Mutter einen Zettel hin.
    »Ich seh’s nicht mehr recht. Meine Augen lassen nach. Was steht denn da?« sagte sie und gab mir den Zettel. »Gerecht gelebt und arm gestorben«, las ich vor. Diesen Spruch hatte sich der Vater selbst ausgedacht. Er war die letzte Ehrung, die er der toten Kathl erwies. Er saß da und hörte die Worte, die ich las. Seine tiefliegenden Augen im eingefallenen Gesicht glänzten matt.
    Eine trostlose, grausige Vereinsamung schien ihn immer mehr zu zersetzen. Er trank und trank, und seine Krankheit nahm rasch zu. Sichtlich zerfiel er. Er mochte sich selber nicht mehr. Im heraufkommenden Frühjahr, eines Morgens, als er aufstehen wollte, brach er Blut. Niemand war in der Kammer. Vor Schwäche konnte er sich gerade noch zurücklegen ins Bett. Als später unsere Mutter kam, lag er bleich und stöhnend da, mit fest zugekniffenen Lippen und hohlen Augen.
    »Jaja, um Gottes willen, was hast du denn? … Max?!« rief die Mutter erschrocken.
    »Dahingehn tut’s«, sagte er schnell, und schon warf es ihn wieder. Es würgte ihn. Er schluckte und öffnete den Mund nicht. Sein Gesicht lief blau an. Die Mutter kam über die Stiege heruntergerannt und erzählte fliegend. Der Maxl, dessen Konditortisch unter der Stiege stand, hob den Kopf und sagte: »Da muß eben der Doktor kommen!« Er wandte sich an mich und befahl: »Los! Los, fahr sofort mit dem Radl auf Starnberg, marsch!« Im Hof schwang ich mich auf das Rad und fuhr eilends aus dem Dorf. Drüben in Starnberg brachte ich auch dem Eugen und der Emma die traurige Nachricht. Sie versprachen, gleich heimzukommen. Als ich wieder nach Hause zurückgekommen war, saß die Mutter in der Kuchl und betete leise. Erst gegen Abend kam der Doktor.
    »Man muß ihn aufpulvern, damit das Herz durchhält … Blut wird er nicht mehr brechen«, sagte der Doktor nach der Untersuchung zur Mutter in der Kuchl. Der Maxl saß in der Stube, am Schreibtisch. Die Tür stand offen. Er rührte sich nicht. Der Doktor verschrieb ein Medikament, ordnete an, daß man dem Kranken sehr stark konzentrierte Fleischbrühe, Rotwein und Champagner gebe, und zum Schluß sagte er ernst: »Sie müssen sich auf alles gefaßt machen, Frau Graf, aber vielleicht haben wir noch einmal Glück …« Uns alle durchrieselte es kalt.
    »Ja, und was ich noch sagen wollte«, wandte sich der bärtige Doktor noch einmal an der Türe um, »sein ganzer Körper ist kalt … Legen Sie ihn lieber in ein geheiztes Zimmer oder nehmen Sie Wärmflaschen …« Er grüßte und ging.
    Am anderen Tag schien es dem Vater etwas besser zu gehen. Als ihm die Mutter sagte, er müsse immer gleichmäßige Wärme um sich haben, der Doktor habe das gesagt, und am besten wär’s, man lege ihn in die Kammer der »alten Resl« über dem Backofen, da fragte er argwöhnisch: »Warum? … Will das vielleicht der Maxl?« Es war unerfindlich, wieso er das annahm. Alles Unangenehme und Schlechte schrieb er dem Maxl zu und verdächtigte die Mutter, daß sie nur ihm folge. Er wehrte sich heftig. Schließlich wurde er wieder schwach und fing zu frösteln an. Er ließ es willenlos mit sich geschehen.
    Eine

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