Das Leben meiner Mutter (German Edition)
Gesicht, daß er sich eine ganze Woche lang nicht mehr sehen lassen konnte. Die Leute freuten sich nicht wenig darüber. Gottlob, inzwischen hatte sich beim Stellmacher – oder wie man jetzt sagte, beim Bäcker Graf – einiges geändert, was dem Maxl zugute kam. Die starrköpfige Stasl, ungewiß, wie sie sich nützlich machen sollte, hatte dem Zureden ihrer Eltern nachgegeben und sich herbeigelassen, dem Bruder das Brot auszutragen. Es war ihr nichts anderes übriggeblieben, denn Maxls Geschäft ernährte jetzt die ganze Familie halbwegs. Der alte Stellmacher spaltete jetzt das tägliche Brennholz für den Backofen, und sein Weib tat sich auch leichter im Hauswesen. Mehl und Brot waren immer da, und der Maxl kannte keine Knauserei. In diesem Winter starb die Schwester des Stellmachers, die stille Kreszenz. Durch ihre Näharbeit in der Leinenkammer des königlichen Hofes hatte sie sich über fünfhundert Gulden erspart und vererbte sie ihrem Bruder. Die Stasl erwartete, daß der Vater das Geld anlegen oder unter die Kinder aufteilen würde. Nach ihrer Meinung war das nicht mehr als seine billige Pflicht und Schuldigkeit. Gleich fing sie wieder an, sich insgeheim mit der Kathl und dem Lorenz zu bereden. Die Kathl ließ sich auch gewinnen, der Lorenz hingegen sagte gar nichts dazu. Das Barometer stand – wie man zu sagen pflegt – im Grafhaus wieder auf Sturm. Die Stasl benahm sich dem Maxl gegenüber bockig und gereizt. Allein es kam anders.
»Maxl«, sagte der Stellmacher einmal, als sie alle in der Stube beisammensaßen, »da, zahl was von deinen Schulden ab, aber denk dran, wenn ich einmal nimmer da bin, daß deine Geschwister nicht zu kurz kommen.« Er zählte das Geld hin. Alle stockten. Die Stasl rief auf einmal dazwischen: »Der und an uns denken!? – Wenn das nicht notariell gemacht wird, gehn wir alle leer aus!« Sie sah nur ihren Vater an. Auch die Kathl hatte eine zustimmende Miene, doch sie schwieg genau so wie der Lorenz.
So sagte der Maxl gereizt zur Stasl: »Ich hab’ bis jetzt nichts gebraucht von euch und ich komm’ auch so weiter! Aber fragen möcht’ ich doch, was eigentlich du gemacht hast, daß wir aus’m Dreck ’kommen sind?« Er war bleich vor Zorn.
»Da! Da hören wir’s ja schon! Unser Lebtag werden wir das hören müssen. Haben wir dir vielleicht gesagt, du sollst eine Bäckerei aufmachen?« warf die Stasl giftig ein, plötzlich aber gab ihr der ergrimmte Stellmacher einen heftigen Stoß mit dem Ellenbogen, daß sie laut aufschreiend vom Stuhl fiel und weinend aus der Stube lief.
» Himmel Herrgott Sakrament! Scheißweiber!« knurrte der Stellmacher und zitterte. In solchen Augenblicken war er gefährlich und fragte nicht mehr nach den Folgen.
»Da, Maxl! Nimm das Geld! Ich möcht’ doch wissen, wer Herr ist im Haus! Da!!« stieß er dumpf heraus und schob seinem Ältesten die Silberstücke hin. Es war so still in der Stube geworden, daß man das klagende Weinen der Stasl durch die Wände dringen hörte.
»No, Vater, vergelt’s Gott«, sagte schließlich der Maxl und sah ihm unverwandt in die Augen, »verlaß dich drauf, ich weiß, was meine Pflicht und Schuldigkeit ist.« – Die Stellmacherin, die dem Zwerg den Semmelschmarrn eingab, brümmelte verdrießlich vor sich hin: »Im ersten Bad soll man seine Kinder ertränken, dann gäb’s keinen Verdruß.«
»Ma-Maxl, vi-viel Geld!« plapperte der Zwerg und grinste seltsam. Der Maxl streichelte mit der steifen Hand über ihren runden Kopf und sagte geruhig: »Jaja, Resl, jaja … Da gibts noch oft Semmelschmarrn.« Der Zwerg nickte und nickte, kniff die verfalteten Augenlider aufeinander und lachte breit. Alle bekamen wieder gleichmäßige Gesichter …
Etliche Tage darauf brachte der Maxl dem Kastenjakl dreihundert Gulden und meinte, der Rest werde nicht mehr lange auf sich warten lassen. Nicht ohne Staunen sagte der Andreas: »Hmhm, da schau! Das geht aber geschwind bei dir! Deine Semmeln werden schneller zu Geld als meine Häuser.« – Er baute noch immer an seinem »Schloß«. Ein sonderbar aussehendes viereckiges Gebäude mit vier kleinen Türmen sollte es werden, doch vorläufig standen die Maurer erst beim ersten Stockwerk. Der Kastenjakl kratzte sich an den Schläfen und bekam eine leicht besorgte Miene.
»Hast du auch schon was läuten hören? Krieg soll’s wieder geben! Der Bismarck will den Franzosen ganz den Garaus machen!« sagte er, und der Maxl nickte. Eine Weile blieben sie stumm. Wahrscheinlich
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