Das Leben meiner Mutter (German Edition)
alles gibt! Hm, so ein dummer Zufall und das Wunder auf einmal!« Sein hagerer Körper zitterte. Er lief hin und her und fuhr sich durch die Haare. Er lächelte traumhaft, blieb wieder stehen, dachte kurz nach, schüttelte den Kopf, brummte einige Male vor sich hin, rannte wieder hin und her und fing auf einmal an, seine alte Mutter beflissen zu belehren, wie sie sich beim König benehmen müsse, was sie sagen und nicht sagen und wie sie den Zwerg, das Resei, anziehen solle. Er fand kein Ende mehr, und beständig fiel ihm etwas Neues ein. Er wollte auf der Stelle der Kathl nachlaufen und ihr das Brotaustragen abnehmen, damit sie heimkommen und Mutter und Zwerg festlich herrichten könne. Alle Einwürfe der Stellmacherin überhörte er. Er schwitzte vor Erregung und Freude. Plötzlich stieg ihm Brandgeruch in die Nase, und er lief zum Backofen.
»Sakrament! Sakrament!« brummte er und riß die verbrannten Wecken heraus. Erst jetzt ernüchterte er sich wieder.
»Teufel, Teufel! Sakrament, Sakrament!« wiederholte er und besah den Schaden. Nur einige Wecken und Laibe taugten noch zum Verkauf. Die alte Stellmacherin kam und sah vorwurfsvoll auf ihn: »Da hast es jetzt!« Sie hob einen halbverkohlten Laib auf, musterte und drückte ihn und jammerte über das teure Mehl, das dabei zugrunde gegangen wäre. Sie nahm ein Messer und schnitt die dicke schwarze Kruste ab.
»Die taugen höchstens noch für unsere Brotsupp’n«, meinte sie. Der Maxl war betreten und ärgerlich, daß ihm das gerade jetzt passieren mußte. – »Aber«, sagte er schließlich, »wenn der Hof bestellt, sind wir alle über Wasser!«
Die Kathl kam heim und erfuhr das freudige Ereignis. Mutter und Zwerg zogen sich sonntagsmäßig an. Die Kathl war höchst erfinderisch, um ihre Ärmlichkeit glanzvoll zu machen. Der Maxl stand unausgesetzt da und übte mit kindlicher Freude Kritik am enganliegenden Spenzer der Mutter. Sie und die Kathl mußten über ihn lachen, und sogar der Zwerg fand ihn drollig. Wie ein übergeschnappter Modekünstler zupfte er an den beiden herum. Endlich verließen die alte Stellmacherin und der Zwerg das Haus und gingen langsam die Dorfstraße entlang, den Berg hinunter zum Wiesmaier. Alle Dörfler, die dem Paar begegneten, musterten es flüchtig und grüßten hin und wieder gleichgültig. Später brachten etliche Schulkinder die unglaublich klingende Nachricht in die Häuser, daß der König und sein Kabinettssekretär im schattigen Wiesmaiergarten an einem weißgedeckten Tisch mit der Stellmacherin und dem Zwerg Kaffee tränken. Staunen und Mißgunst, Neid und Neugier erfaßte die Leute. Trotz der drängenden Erntearbeit machten sich einige den Umweg und gingen am Garten der Schloßwirtschaft vorüber. Verborgen und scheinbar arglos lugten sie auf den Tisch und faßten es nicht: der König höchstselbst beschäftigte sich eifrig mit dem plappernden, ungenierten Zwerg, reichte ihm Kuchen, lächelte erheitert und befragte ein um das andere Mal die sich offensichtlich recht unbehaglich fühlende Stellmacherin. Sah man genauer hin, so gewann man den merkwürdigen Eindruck, als behandle der Monarch den Zwerg ungefähr wie ein gutartiges, affenähnliches Tier, dessen linkische Bewegungen und unverständliche Laute ihn ungemein interessierten und belustigten. Immer wieder mußte der Kabinettssekretär es der Stellmacherin sacht verwehren, daß sie ihre mißgestaltete Tochter zurechtwies. Jeden Laut derselben sollte sie übersetzen, und man geht nicht fehl, wenn man annimmt, daß sie aus Verlegenheit und Furcht nicht immer die Wahrheit sagte. Endlich wurde sie gnädig entlassen, und der Zwerg bekam ein Silberstück. Die Wiesmaiers verbeugten sich fast bis zur Erde und küßten dem Monarchen die Hand. Die Stellmacherin wußte nicht, wie sie das bewerkstelligen sollte, und benahm sich hilflos und linkisch; schließlich, als der Kabinettssekretär gütig abwinkte, brummte sie nur ein trockenes »Vergelt’s Gott«.
Der Zwerg stand unbewegt da wie eine starre Pagode und lächelte den davongehenden Herren blöde nach.
»Ja, die hohe Ehr’, Frau Graf! Die Ehr’! Da kann man gratulieren!« sagten die Wiesmaiers, und der Wirt setzte dazu: »Das wird sicher dem Maxl auch von Nutzen sein! So ein Glück!« Und er tätschelte die kleine Resl.
»Grüß Gott beieinander!« erwiderte die Stellmacherin nur und ging aufatmend davon. – Sehr angegriffen kam sie zu Hause an und erzählte dem Maxl und der Kathl, was sie für Angst ausgestanden
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