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Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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angekündigt. »Das wird ganz großartig!« sagte er und setzte gelassen dazu: »Für die Herrschaften ist das ein Fest, für unsereins nichts als Ärger, Verdruß und Arbeit, aber was will man machen … Wir zwei verstehn uns, Herr Graf!« Er sah dem Maxl gutmütig und vieldeutig in die Augen, besprach das Sachliche, und sie schieden herzlich voneinander.
    »Nur immer zu mir kommen! Nur zu mir!« sagte der Chef an der Tür. Der Maxl wäre am liebsten auf dem Schloßhof stehengeblieben und hätte aufgejauchzt oder ein lautschmetterndes Hoch auf den König angestimmt. Er wußte nicht, sollte er laufen oder hüpfen, sollte er sich bezähmen oder was sonst. Er fühlte kaum, daß sich seine Beine bewegten. Er ging dahin wie ein Traumwandler, mitten am Tage. Auf halber Höhe des Berges blieb er atemholend stehen und schaute hinunter auf das im dichten Laubwaldgrün liegende, vom friedlichen See bespülte Schloß. Das Dampfschiff aus Starnberg kam näher, und viele Segel- und Ruderboote schwammen auf der weiten, glatten Wasserfläche. Steil stand die Sonne im hochgespannten Himmel. Maxls Brust wurde weit. Er reckte sich erfrischt, und es war, als saugten seine Augen all das, was sie fassen konnten, hinein. Der Müller März, der mit einer prallen Fuhre Weizen den Berg herunterfuhr, bekam, als er ihn erblickte, eine verschlossene Miene, beugte sich schnell unter die Fuhre und drehte die Wagenbremse ein paarmal. Der Maxl merkte die Absicht wohl und schrie keck in das Ächzen und Quietschen der gehemmten Räder: »Brems nur fest! Mich hast nicht aufhalten können!« Der Angerufene tat, als habe er die spitze Andeutung nicht gehört, und trottete finster neben seinen Pferden her. Freilich konnte der Maxl sein verärgertes Gesicht nicht sehen, aber er dachte sich’s, daß sein Hieb getroffen hatte, denn der Müller schaute nicht mehr um. Vor noch gar nicht langer Zeit hätte der dem frechen, lumpigen Notschnapper, der an einem so schönen Werktag, während die ordentlichen Leute arbeiten, im guten Gewand spazierenging, eine hämisch-derbe Antwort gegeben; nun aber haßte er ihn nur noch giftig und verschwiegen. Echte Bauern finden die Not bei andern verächtlich, dulden sie aber herablassenderweise. Kommt aber ein solcher Armer durch eigene Kraft in die Höhe, überflügelt er gar manchen eingesessenen Bauern an Wohlhäbigkeit, dann hält man ihn insgeheim für einen tief unreellen Kerl, der rücksichtslos jeden Schwindel betreibt. Sicher erinnerte sich der Müller des Ausspruchs, den seine verstorbenen Eltern über die Stellmacher-Sippschaft geprägt hatten: »Sie wimmeln wie die Wanzen und saugen sich, wenn man nicht achtgibt, an jedem fest.« So war es beim Kastenjakl und so beim Maxl. Diese Gauner schienen ständig auf der Lauer zu liegen und jede günstige Gelegenheit auszunützen, wozu ehrliche Leute gar keine Zeit hatten. Wo mochte der Maxl, so sonntagsmäßig angezogen und erheitert, dahergekommen sein? Vielleicht wirklich aus dem königlichen Schloß! Und mit dem besten Auftrag womöglich! Der März knirschte mit den Zähnen. Seine Mühle und sein Wohnhaus lagen straßenbreit entfernt vom Schloß, aber er und seine Söhne und Töchter waren noch nie in dasselbe gekommen, von ihm bezog der Hof kein Mehl. Die Welt war ungerecht. Die Zeit war schlecht geworden. Das Alte und Ehrliche wurde nicht mehr geachtet. Auch der Zusammenhalt der Bauern und Eingesessenen war erstorben. Einige Nachbarn holten tatsächlich schon manchmal Semmeln oder einen Brotlaib beim Bäcker-Maxl.
    Ach ja, alles hatte sich im Laufe der bewegten sechs, sieben Jahre nach dem Kriege unaufhaltsam verändert und aufgelockert. Das Untere schien manchmal nach oben gekehrt. Die armen Fischer drunten am See, die früher vor Not kaum zu leben wußten, verdienten nunmehr leicht Geld durch Spazierenrudern der Herrschaften oder durch Verleihung ihrer Boote. Einer ging sogar so weit, gegen geringes Entgelt fremde Männer, Weiber und Kinder auf seinem Uferstrich baden zu lassen. Kein königlicher Hof, kein Pfarrer und Gemeinderat erhoben dagegen Einspruch. Die ständige Berührung mit den feinen Städtern hatte auf die Einheimischen abgefärbt und Moral und standhaften Glauben angegriffen. In Berg gingen schon einige Jungfrauen nicht mehr in der üblichen Tracht. Sie trugen der Mode angepaßte Röcke und Blusen. Überall in den Familien hatte der strenge, enge Bauernstolz beträchtlich nachgelassen. Auf den Bällen des Veteranen- und Kriegervereins tanzten die

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