Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
Vom Netzwerk:
Töchter der angesehensten Bauern mit Leuten wie dem Maxl. Der Respekt vor dem Althergebrachten war halbwegs in die Brüche gegangen. Nicht mehr wie ehedem folgten die Kinder ihren Eltern. Töchter und Söhne großer Bauern heirateten nicht mehr auf ebenso umfängliche Anwesen, und nicht selten kam ein fremder Habenichts zu sauer erarbeiteter Wohlhäbigkeit. Die Bäcker-Stasl, die nach einigen Wochen wieder aus der Stadt zurückkam, trug den Kopf hoch. Das Gerede der Leute focht sie nicht an. In adretter, städtischer Kleidung trug sie, nachdem sie sich mit dem Maxl ausgesprochen hatte, wieder das Brot aus, und alle Herrschaften begrüßten sie freudig. Mit dem Voshank, ihrem böhmischen Liebhaber, ließ sie sich ohne Scheu überall sehen, und sie konnte es auch, denn allmählich stieg die Achtung vor der »Bäckerischen«, und jeder Mensch sagte schon halb neidisch und halb spöttisch »Hoflieferant« zum Maxl. Sie brauchte sich aber auch deshalb nicht zu schämen, daß sie schwanger gewesen war, weil dort, wo es niemand erwartet hatte, dasselbe vorgefallen war. Nämlich die Heimrath-Genovev, die Bigotteste weitum, hatte sich wirklich und wahrhaftig mit dem Peter Wach in eine kaum glaubliche Liebschaft eingelassen und ließ sich schon monatelang nicht mehr sehen. Die Heimrathin war außer sich und wich jedem Menschen aus. Was half es denn, daß der Pfarrer die Genovev und den Peter einzeln und dann zu zweien zu sich bestellte und ihnen eine harte Strafpredigt hielt. Geschehen war geschehen. Das fromme Heimrath-Haus hatte einen Schandfleck bekommen. Der war nicht mehr wegzuwischen. In der Pfarrei fielen nicht die besten Worte über die Aufhauser »Weiberwirtschaft«. Viele gaben der nachlässigen Wachsamkeit der Bäuerin die alleinige Schuld an diesem schändlichen Vorfall. Jetzt, hieß es, habe sie den Schaden ihres Eigensinns. Nie war sie für fremde Ratschläge zugänglich gewesen, und immer tat sie, als verstünde sie alles besser.
    »Hätt’ sie ein paar Jahr nach dem Ableben vom Ferdl geheiratet!« meinten die Bauern und schimpften weiter: »Dann wär’ die Sauerei nicht vorgekommen. Die Kinder hätten einen Vater gehabt und gewußt, was sich gehört.« – Und es erinnerten sich die meisten an den Jani-Hans und fanden, daß er seinerzeit ganz recht gehabt habe, als er der Heimrathin den Antrag zu einer Josephs-Ehe machte. Der Hans, noch immer hochgeschätzt von den Alten, sagte nur: »Auf Ehr’ und Seligkeit, ich hab’s ihr gut gemeint, der Bäuerin, aber mein Gott und Herr Jesus, einem religiösen Menschen wird ja nie geglaubt.« – Selbst die Frömmsten unter den Leuten fanden jetzt nichts Gutes mehr an der bigotten Genovev und redeten etwas von den »Wölfen im Schafspelz«, wenn sie den »Blasl-Peter« erwähnten. Man zog überhaupt die Religiosität der »Blasls« von Aufkirchen in Zweifel und unterschob dem Peter allerhand dunkle, erbschleicherische Absichten. Die Blasls nahmen sich das sehr zu Herzen. Sie waren allenthalben als sehr sonderbare, eifervoll-übersteigerte Gläubige bekannt, lebten sehr zurückgezogen und mieden jeden Menschen. Außer Peter war noch der ältere Bruder Hans da, der seit dem Tode der alten Blasls mit seinen zwei Schwestern zusammenhauste. Alle waren unverheiratet.
    Kurz nach dem Vorkommnis mit der Heimrath-Genovev – nach dem sonntäglichen Hochamt – sprang der Blasl-Hans vor der Kirchentüre auf seinen Bruder zu und versetzte ihm einige Fausthiebe. Die umstehenden, erschreckten Leute hielten ihn zurück und konnten ihn kaum bändigen. Er stieß unverständliche Laute heraus und hatte Schaum vor dem Mund. Der blutende Peter lief einfach davon. Eine Blasl-Schwester ging bald darauf ins Kloster und bei der Vev, der jüngeren, zeigten sich Anzeichen beginnenden Wahnsinns. Oft hörten sie die Nachbarn laut schreiend beten. Lange währte dieses gräßliche Klagen mitunter, bis die Stimme versagte. Dann war die Vev wieder ruhig wie ein gewöhnlicher Mensch.
    Der Heimrathin kam das alles zu Ohren, und es läßt sich denken, daß sie darüber bedrückt war. Was mochte das erst für ein Kind werden? Bei dem Zusammenstand: Peter und Genovev! Dieser Kummer peinigte sie noch mehr als alle üblen Nachreden. Sie beriet sich oft mit dem Pfarrer. Sie ließ heimlich Messen lesen und betete viel. Dem Peter begegnete sie stets mit fast furchtsamer Zurückhaltung. In die Augen sah sie ihm nie, und wo es ging, wich sie ihm aus. Sie wurde überhaupt immer verschlossener und wortkarger

Weitere Kostenlose Bücher