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Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Das Leben meiner Mutter (German Edition)

Titel: Das Leben meiner Mutter (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oskar Maria Graf
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dem Schloßufer verbunden. Zeltgleich liefen ihre silberdurchwirkten Girlanden zusammen, Flaggen und Wappen des bayerischen Königreiches und des russischen Kaiserreiches schmückten sie, und blausamtene Ruhebänke für die höchsten Herrschaften standen darauf. Von hier aus wollten sich Zarin und König mit ihrem nächsten Gefolge das nächtliche Feuerwerk ansehen, dessen riesiges Ausmaß alles bisher Dagewesene überbieten sollte. Denn auch in der Seemitte und vor den gegenüberliegenden Ufern – vom nördlichen Starnberg bis zur südlichen Spitze – ankerten solche Flöße, und während des ganzen Tages brachten schwerbeladene Flachboote Stöße von Fackeln und Raketen aller Art dorthin. Weithin schallte der wirre Lärm der eifrig hantierenden Feuerwerker, die auf diesen künstlichen Inseln Vorbereitungen trafen. Eine Prachtentfaltung ohnegleichen war zu erwarten.
    In Berg prangte jedes Haus. An allen Dorfeingängen erhoben sich mächtige Triumphbogen. Der Ort glich einem aufgestörten Ameisenhaufen, so dicht wimmelte es von Menschen. In Unterberg, vom Schloß bis zum Dorfende, bildeten die Veteranen-Vereine, die Jungfrauen der Pfarrei, angetan mit ihren silberverschnürten Miedern, künstliche Maiglöckchenkränze auf dem Kopf, und die weißgekleideten Schulkinder rechts und links von der Straße ein Spalier. Militär sah man nicht, da bekanntlich der König jedes uniformierte Gepränge haßte und vielleicht seine grenzenlose Beliebtheit beim Volke den fremden Hoheiten eindrucksvoll zeigen wollte. Außer den geschäftig herumlaufenden Wachtmeistern und Gendarmen tauchten nur ab und zu irgendwelche Würdenträger mit vielen Orden in ihren goldund silberstrotzenden Galauniformen auf, welch letztere den schaulustigen Dörflern, die dicht hinter den Spalieren standen, allerhand Rätsel aufgaben. Jeder wollte wissen, was diese feinen Herren für Ämter bekleideten, was sie für einen Rang hätten und ob sie bayrische oder fremdstaatliche Beamten seien. Der König war, als die Sonne in halber Himmelshöhe stand, in seiner offenen Prunkkarosse, begleitet von einer glänzenden berittenen Suite, den hohen Gästen entgegengefahren. Er sah trotz seiner starken Beleibtheit und seines deutlich gealterten, schlaff gewordenen Gesichtes in der funkelnden Generalsuniform, die er ausnahmsweise trug, ungewöhnlich schön und majestätisch aus. Ein unbeschreiblicher Jubel umbrauste ihn. Jeder Mensch schaute wie geblendet auf ihn, und als er, nach allen Seiten nickend, grüßte und ein wenig lächelte, vergaßen die Musiker Takt und Melodie, starrten verwirrt in dieses merkwürdig anzusehende Gesicht und bliesen erst wieder weiter, nachdem das Gefährt vorüber war und die letzten Hufschläge der nachreitenden Suite sie in die Wirklichkeit zurückgerufen hatten. Die Heimrath-Resl, die zwischen ihren Schwestern stand, war wie benommen. Endlich faßte sie sich und sagte, als sie sah, wie alle noch immer frische Rosen und Feldblumen auf die staubige Straße warfen, obgleich der König schon längst fort war: »Ist doch schad’ dafür! Es kommen doch noch eine Masse Herrschaften, dann haben wir nichts mehr!« – So war sie immer. Jedes Erstaunen, alle Verblüffung verflogen rasch, und stets gewann ihre praktische Nüchternheit die Oberhand. Die Jungfrauen standen in der Nähe der hohen Schloßmauern. Durch das Tor, das reich geziert war, sahen sie den breiten Kiesweg, den üppige Palmen säumten. Vom Eingang des Schlosses über die Steintreppe herab bis zur runden Auffahrt waren kostbare Teppiche gelegt. Allerhand Herren mit reichbestickten Diplomaten-Zweispitzen, auf welchen blühweiße Federbüsche prangten, standen dort im Gespräch. Einmal kam der etwas beleibte Richard Wagner zum Vorschein, den ein gebückter Greis mit einem scharfen Geiergesicht und langen, glatt zurückgestrichenen schlohweißen Haaren begleitete. Es war Franz Liszt, der in seinem langen, schwarzen, bis zu den Füßen reichenden, zugeknöpften Geistlichenmantel gespenstisch mager aussah. Er gestikulierte lebhaft und grüßte die Hofbeamten stets mit großer Gebärde, während Wagner, dessen charakteristische dunkle Pagenmütze besonders auffiel, weit zurückhaltender war.
    Ob das die zwei Hofgeistlichen seien, fragte die Resl, und als sie von verschiedenen Seiten die Namen Richard Wagner und Franz Liszt hörte, gab sie sich zufrieden, wenn sie sich darunter auch nichts vorstellen konnte.
    Jetzt aber begann am Dorfende der Lärm, das unablässige

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