Das Leben meiner Mutter (German Edition)
ich kann ihm nicht helfen! … Dumm das! … Schad’, sehr schad’!« Er machte den Eindruck eines Menschen, der eben einen ganz bestimmten Entschluß gefaßt hatte, welcher ihm plötzlich zerronnen war.
Die Stasl hatte im Backofen das Holz angezündet. Die brennenden Scheite krachten. Heute mußten sie alle nach dem Abendessen die Bäckerarbeit beginnen. – Die Männer, die in der Stube saßen, hörten, wie die Kathl aus dem Stall kam und ihrer Schwester zurief: »Ganz lammfromm ist er, der Blaßl … Er frißt so schön aus der Hand.«
Der Maxl schaute flüchtig auf den Voshank, auf dessen finster gewordener Miene eine besondere Zweideutigkeit lag.
»Jaja, ja!« rief der Maxl auf einmal leicht gereizt, »jaja, Voshank! Verlaß dich darauf, wenn das Seefest vorbei ist, kriegt die Stasl ihr Geld. Ganz sicher! Ich will euch nicht im Weg sein!« Offenbar hatte er Voshanks Gedanken erraten, denn der nickte wortlos und drückte die Augenlider auf und zu.
An den Fenstern huschte ein Schatten vorüber. Die Haustür knarrte und flog zu.
»Ah, der Hans! Was bringst denn du für Neuigkeiten?« hörten die in der Stube die Kathl sagen, und gleich darauf tauchte der Schmalzer-Hans im Türrahmen auf.
»Allerhand!« rief er der Kathl zurück, und mit breitem Lachen wandte er sich an die Männer: »Allerhand hat der Schmalzer-Hans zu vermelden! Das ganze Dorf, ja – was sag’ ich? – das ganze Seeufer rundum ist seit gestern gesteckt voller Leut’ … Prinzen, Fürsten und Ausländer, vom Baron bis zum Künstler – alles ist da. Der Wagner ist auch wieder in der Pellett-Villa drunten und hat den König schon besucht. Jetzt spielt er ihm stundenlang auf dem Klavier vor. Die Fenster im Schloß sind offen, und so ein’ Lärm macht die Krawallmusik, daß man sein eigenes Wort nicht versteht. Beim Wiesmaier hängt das ganze Haus voller Girlanden und weißblauen Fahnen, und Unterberg ist schon verziert … Am See-Ufer sind drei große Tribünen – jaja, Tribünen heißt man diese Brettersteigen. Fahnen und weißblaues Tuch, wo man hinschaut … Die Leoniger haben auch schon alles verziert … Und da heroben, bei uns in Oberberg, da sieht man noch gar nichts! Auf der Stell’ putzt ihr eure Häuser! … Ich geh’ jetzt ’rum und treib’ ihnen ein Feuer ein! Eine Schand’ und ein Spott ist’s, wie unser dreckiges Oberberg ausschaut!« Laut und lustig klangen die gleichsam befehlsmäßigen Worte.
»Was ist’s denn, Maxl? Bist du wieder gesund oder kratzt du ab?« fragte er, musterte seinen Nachbarn flüchtig und meinte ebenso: »Ich seh’, du lebst und willst das große Geschäft nicht auslassen! Das wär’ ja auch der höhere Blödsinn! Da!« Er hielt dem Maxl die offene Schnupftabaksdose hin. Beide nahmen eine starke Prise und räusperten sich wohlig.
»Sakrament! Sakrament! Ich hab’ meinen Tabak beim Heimrath droben liegen lassen!« warf der Maxl hin.
»Ich bring’ ihn dir mit, ich muß sowieso überall hin«, versprach der Hans. Dann zog er einen langen weißen Zettel aus seiner blauen, schmucken Litewka und reichte ihn dem Maxl, indem er ironisch soldatenmäßig sagte: »Befehl von unserem Herrn Küchenchef! Das sind die Brotbestellungen … Strengste, gewissenhafteste Durchführung wird verlangt, verstehst du? Mach’ mir keine Schand’!« Der Maxl überflog den langen Bestellzettel. Ohne abzuwarten drehte sich der Schmalzer-Hans auf dem Absatz um und rief lustig: »So, meine Pflicht und Schuldigkeit hab’ ich getan, basta … Jetzt leckt’s mich alle am Arsch, Bande, windige! Der Hans sagt: ›Habe die Ehre!‹« Alle lachten gemütlich. Schon zog der Hans die Türe hinter sich zu.
Der Maxl las abermals die Skala der Bestellungen. Dann stand er auf und straffte sich mit aller Kraft. Zwei-, dreimal holte er tief Atem und biß die Zähne zusammen. »Ja!« sagte er entschlossen, »es geht! Es muß gehen! Jetzt heißt’s zusammenhalten!« Wie ein Kommando klang es. Alle gingen mit ihm in die Backstube. Er hob den einen Trogdeckel auf, prüfte das erste und zweite »Dampf’l« im sauber getürmten Mehl, streute Salz über jeden dieser gärenden Vorteige, schüttete das nötige Wasser dazu und sagte, seine Hemdärmeln aufstülpend: »So, jetzt kann’s losgehen. Mach’s genau so wie ich, verstehst du?« Der Voshank nickte. Er und der Maxl fingen gleichzeitig mit dem Teigkneten an. Mit verbissenem Ingrimm werkelte der Maxl, und sein Partner wollte ihm nicht nachstehen. Der Lorenz brachte
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