Das Leben meiner Mutter (German Edition)
Flasche Rotwein zu schicken. Den Wein trank der Maxl auf Kathls Anraten mit etlichen rohen Eiern und Zukker verrührt, und das Huhn schmeckte ihm ausgezeichnet. Er saß in der Stube und unterhielt sich nach langer, langer Zeit einträchtig mit seinen Geschwistern.
»Das ist ärger gewesen wie bei Orleans!« sagte er einmal, als er den Schwächeanfall während der Nacht schilderte, und wie aus einer bedrückenden Gedankenreihe heraus, so, als sei das harte Erlebnis für ihn äußerst schwerwiegend gewesen, setzte er hinzu: »Aber gut ist’s, ganz gut, wenn der Mensch hie und da merkt, daß er gar nichts ist und daß er sich auf nichts was einbilden kann.« Er trommelte mit den Fingern auf die escherne Tischplatte, und die andern schwiegen sekundenlang. Dann kam man endlich auf das Pferd zu sprechen. Der Maxl verschwieg nicht, daß ihm der Klostermaier das Geld zum Ankauf geliehen hatte. Nebenbei erwähnte er sogar, wie er mit dem Wirt beim Heimrath Einkehr gehalten habe, und was dabei gesagt worden war. Er lächelte listig und vieldeutig und schaute der Reihe nach seine Geschwister und den Voshank an. Als er die Augen der Stasl mit dem Blick erwischte, sagte er mit sachter Ironie: »Und, meint er, der Klostermaier, wenn ich dahinter wär’, ging das leicht … Die Resl hat er mir ausgesucht, hm … Eine Jungfrau aus einem so gottseligen Bauernhof … Ich muß fast ein bißl lachen drüber! Das wär’ ja ein ganz seltsamer Zusammenstand!«
Die Stasl sagte nichts, der Voshank, die Kathl und der Lorenz sagten nichts. Nur die alte Stellmacherin meinte: »No ja, aber die Resl kriegt doch ein schönes Heiratsgut mit, und eine fleißige Person ist sie auch …«
»Das schon … jaja, das schon«, murmelte der Maxl, »arbeiten kann sie für drei.« – Vom Stall her vernahm man das ungeduldige Scharren des Pferdes. Es wieherte einige Male. Die Kathl und die Stasl standen auf und riefen: »Es hungert ihn schon wieder, den armen Blaßl! Knochendürr ist er!« Vorläufig, sagten sie, hätten sie ihm bloß etliche altbackene Brotwecken gegeben, aber der Schmalzer-Franz habe ihnen Stroh, Heu und einen Sack Hafer herübergebracht. Als sie draußen waren, schielte der Voshank noch einmal zur Tür, dann brummte er: »Kastenjakl muß versteigern … aus mit ihm.« Der Maxl bekam erschreckte Augen und fragte hastig weiter.
»Aus! Kann nicht mehr! Muß raus … Schon gepfändet das meiste«, berichtete der Voshank. Es seien fremde Interessenten da: der Baumeister Fischhaber von Starnberg, der Himsel von Leoni und der Siegl von der Rottmannshöhe, der jetzt die Genehmigung zum Bau der Drahtseilbahn von Leoni zu seinem Hotel erhalten habe, spekulierten darauf.
»Nächste Woche ist Versteigerung!« sagte der Voshank. Der Maxl und der Lorenz sahen einander stumm in die Augen. Vermutlich überlegte der erstere, wie diesem endgültigen Zusammenbruch des Kastenjakls noch einmal abzuhelfen wäre, während der andere sicher nur dachte, so ginge es eben mit unbescheidenen Menschen, die zu hoch hinauswollen.
»Herrgott! Herrgott! Armer Kastenjakl!« murmelte der Maxl und kratzte sich, hob das Gesicht wieder und meinte: »Und das Dumme ist, wir können ihm alle nicht helfen! Herrgott! Herrgott! Und dabei glaub’ ich bestimmt, daß er, wenn er durchhalten kann, ein sicheres, gutes Geschäft machen könnt’ … Herrgott!!« Er schaute auf den Voshank und fragte: »Wann, sagst du, ist die Versteigerung? Nächste Woch’n?«
»Ja«, nickte der Befragte. Wieder sann der Maxl nach, dann schüttelte er den Kopf, als schiebe er einen unangenehmen Gedanken weg, und sagte fast ärgerlich: »Aber das ist ja lauter Unsinn! … Das geht ja nicht! … Hoffentlich zwingen wir die Arbeit mit dem Seefest. Ich spür’ schon, es geht wieder! Wir müssen uns einfach alle fest ins Zeug legen.«
Er stand auf und ging einige Male hin und her. Freilich war er noch ein wenig schwach und klapprig, doch er knirschte mit den Zähnen, als wolle er es nicht wahr haben.
»Hm, Geld wenn ich hätt!« rief er und brach ab. Er setzte sich wieder auf das Kanapee und brummte: »Hm, so geht’s schon auf der Welt! Wenn einer wirklich was im Kopf hat, kann er bloß was machen, wenn er König ist. Sonst geht’s einfach nicht! … Der Kastenjakl ist genau so wie der König Ludwig, aber – weiß der Teufel! – sein Unglück ist bloß, daß er als armer Mensch auf die Welt ’kommen ist …« Er schwieg wieder, starrte kurz geradeaus. Dann sagte er: »Tja,
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