Das Leben Mohammeds, des arabischen Propheten (German Edition)
Tayef, welche weinten und klagten, in Stücken auf dem Boden liegen. [Fußnote: Die Thakefiten sind bis auf den heutigen Tag ein mächtiger Stamm, welcher die fruchtbare Gegend am östlichen Abhange der Gebirgskette von Hedjas (Heddschas) besitzt. Einige bewohnen die alte Stadt Tayef, andere hausen in Zelten und haben Heerden von Ziegen und Schafen. Sie können zweitausend Luntenschlösser aufstellen und vertheidigten ihre Festung Tayef in den Kriegen mit den Wechabiten.]
Unter denen, welche der Macht Mohammeds noch trotzten, befand sich der Beduinenhäuptling Amir Ibn Tufiel, der Führer des mächtigen Stammes Amir. Er war berühmt wegen persönlicher Schönheit und fürstlicher Pracht; aber er hatte einen hochmüthigen Geist und seine Herrlichkeit trug das Gepräge der Prahlerei. Auf dem großen Markte von Okaz, zwischen Tayef und Naklah, wo sich Kaufleute, Pilger und Dichter aus allen Theilen Arabiens gewöhnlich versammeln, pflegte ein Herold auszurufen: »Wer ein Lastthier bedarf, der mag zu Amir kommen; ist Jemand hungrig, der mag zu Amir kommen und er wird gesättigt werden; ist er ein Verfolgter, so mag er zu Amir fliehen und er wird beschützt werden.« – Amir hatte Jedermann durch Freigebigkeit geblendet, und sein Ehrgeiz hatte mit seiner Volksthümlichkeit Schritt gehalten. Die steigende Macht Mohammeds flößte ihm Eifersucht ein. Als ihm gerathen wurde, mit demselben sich zu vereinigen, so erwiderte er hochmüthig: »Ich habe geschworen, niemals zu ruhen, bis ich ganz Arabien gewonnen habe, und diesem Koreischiten soll ich huldigen?« Die neulichen Eroberungen der Moslemen bewogen ihn jedoch, den Rathschlägen seiner Freunde Gehör zu geben. Er reiste nach Medina, und da er vor Mohammed kam, fragte er ihn freimüthig: »Willst du mein Freund sein?« »Niemals, bei Allah!« war die Antwort, »wofern du nicht den Islam annimmst.« »Und wenn ich es thue, willst du dich dann mit der Herrschaft über die Araber in den Städten begnügen und mir die Beduinen der Wüste lassen?« Mohammed antwortete verneinend. »Was werde ich denn durch die Annahme deines Glaubens gewinnen?« Die Gemeinschaft aller wahren Gläubigen.« »Mich gelüstet nicht nach solcher Gemeinschaft!« entgegnete der stolze Amir, und mit einer kriegerischen Drohung kehrte er zu seinem Stamme zurück.
Ein Beduinenhäuptling anderen Charakters war Adi, ein Fürst des Stammes Tai. Sein Vater Hatim war nicht allein wegen kriegerischer Thaten, sondern auch wegen seiner gränzenlosen Großmuth berühmt gewesen, so daß die Araber zu sagen gewohnt waren, »so edelmüthig wie Hatim.« Adi der Sohn war Christ, und wenn er auch die Großmuth des Vaters geerbt haben mochte, so fehlte ihm doch dessen Tapferkeit. Beunruhigt über die verheerenden Kriegszüge der Moslemen, befahl er einem jungen Araber, welcher die Kameele desselben in der Wüste hütete, einige der kräftigsten und schnellsten bereit zu halten und von der Annäherung eines Feindes augenblickliche Nachricht zu geben. Es traf sich nun zufällig, daß Ali, welcher diesen Theil des Landes mit einer Reiterschaar durchstreifte, mit zwei Bannern, einem weißen und einem schwarzen in Sicht kam. Der junge Beduine sah sie von fern und eilte zu Adi mit dem Rufe: »Die Moslemen sind in der Nähe; ich sehe ihre Banner in einiger Entfernung!« Augenblicklich setzte Adi seine Frau und seine Kinder auf die Kameele und floh nach Syrien. Seine Schwester, Saffana d. i. die Perle, zubenannt, fiel in die Hände der Moslemen und wurde mit andern Gefangenen nach Medina gebracht.
Als dieselbe Mohammed nahe beim Orte ihrer Haft vorübergehen sah, so rief sie ihm zu: »Habe Mitleid mit mir, o Gesandter Gottes! Mein Vater ist todt, und derjenige, welcher mich hätte beschützen sollen, hat mich verlassen. Habe Mitleid mit mir, o Gesandter Gottes, wie Gott mit dir Mitleid haben mag!« »Wer ist dein Beschützer?« fragte Mohammed. »Adi, der Sohn Hatims.« »Er ist ein Flüchtling vor Gott und seinem Propheten,« entgegnete Mohammed und ging vorüber. Als Mohammed am folgenden Tage im Begriffe stand vorüberzugehen, so flüsterte Ali, welchen die Schönheit und der Kummer des Weibes gerührt hatte, derselben zu, aufzustehen und den Propheten noch einmal inbrünstig anzuflehen. Demgemäß wiederholte sie ihre Bitte. »O Prophet Gottes! mein Vater ist todt; mein Bruder, welcher mein Beschützer hätte sein sollen, hat mich verlassen. Habe Barmherzigkeit mit mir, wie Gott mit dir Barmherzigkeit haben wird.«
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