Das Leben nach dem Happy End
Schultern zu fassen, doch nur zur Hälfte, ich fiel nicht, verdrehte mir jedoch die Hüfte, Oh, küss mich, küss mich, küss mich . Die Tränen rannen mir nur so herunter. »Und noch dazu ist mir der Zahn abgebrochen!«, rief ich. Er bugsierte mich zu einem Stuhl. Ich ließ meinen Kopf auf die Tischplatte sinken und wagte es nicht aufzusehen. Ich weinte nicht mehr, von ein paar Tränen abgesehen. Wie peinlich, das mit dem Zahn zu erzählen. Er rumorte mit der Gasflasche, und ich stand erst auf, um Kaffee zu kochen, als die Flasche angeschlossen war. Ich streckte die Beine und drehte den Unterkörper, um zu spüren, ob ich noch heil war. War ich, aber nicht schmerzfrei.
»Und, was haben Sie herausgefunden?«, fragte ich.
Es war nicht viel. Sie wussten, wo der Mörder gestanden hatte – auf dem höchsten Punkt des Friedhofs, innerhalb der Eingrenzung, wahrscheinlich sogar darauf, allerdings unter einigen Bäumen. Niemand hatte ihn gesehen. Hallands Handy war verschwunden, das würden sie gern finden. Und seinen Computer? Hatte er denn einen?
»Doch, einen Laptop. Aber hier ist er nicht. Er bewahrt ihn in so einer grauen Tasche auf, aber ich weiß nicht, wo sie ist.«
»Und die Schlüssel, die er in der Tasche hatte«, fragte Funder.
»Nein«, sagte ich. »Ich habe keine Ahnung.«
»Halland muss um einiges älter gewesen sein als Sie?«
Ja. In sechs Monaten wäre er sechzig geworden. Wir hatten darüber gesprochen, wie das gefeiert werden sollte, aber es war heikel. Seit seiner Krankheit hatten wir nur selten Gäste empfangen. Mit keinem einzigen der Menschen, die ich auf der ganzen Welt kannte, hatte ich Lust, über Hallands Tod zu sprechen, abgesehen von den Nachbarn vielleicht. 37 Mails, aber keine von einer Person, mit der ich sprechen wollte.
»Stimmt es wirklich, dass er vorher nie verheiratet war?«
Er war nie verheiratet gewesen. Bevor er mich traf, hatte er verschiedene Beziehungen geführt, von denen ich nichts wissen wollte.
»Während der zehn Jahre, die Sie ihn kannten …«
»Zwölf.«
»… haben Sie nicht einen einzigen Namen einer Frau gehört, mit der er früher eine Beziehung hatte?«
»Nein. Doch. Aber von keiner, die ich kenne und von der ich weiß, wer es ist. Glauben Sie denn wirklich, dass er von einer Verflossenen erschossen wurde?«
Funder trank seinen Kaffee aus und erhob sich. »Darf ich mir einmal Ihren Dachboden ansehen? Ich werde schon keine Unordnung anrichten.«
»Haben Sie dort nicht schon nachgesehen?«
»Doch. Aber ich gehe noch einmal kurz hoch.«
Auf dem Weg nach oben rief er: »Ich habe die Telefonstecker wieder eingestöpselt. Sie waren bei beiden Telefonen herausgezogen.«
»Ja, sonst hätten Sie sie ja wohl kaum wieder einstöpseln können«, sagte ich zur Küchenspüle. »Und was haben Sie in meinem Schlafzimmer zu suchen?« Ich blieb sitzen und versuchte, seinen Gedankengängen zu folgen, was wollte er finden, was konnte er finden. Der Schreibtisch war ja beinahe leer. Hatte er eigentlich immer so ausgesehen, wusste ich das? Natürlich wusste ich das, aber konnte ich mich daran erinnern, konnte ich mich überhaupt an irgendetwas erinnern? Ich hatte nicht einmal darüber gestutzt, dass sein Computer nicht da war, hatte nur wie üblich Hallands Ordnung bewundert. Würde ich den Tisch als leer oder als geleert bezeichnen?
Ich humpelte auf den Treppenabsatz hinaus, nachdem Funder gefahren war, atmete die klare Luft nach dem Regen tief ein, und dort ging er schon wieder, der Mann vom Badesteg, das irritierte mich. Er ging zur Tür des Nachbarn und warf mir ein schiefes Lächeln zu. »Wohnen Sie bei Brandt?«, fragte ich, um etwas zu sagen, was allerdings ziemlich idiotisch war, denn er hatte einen Schlüssel, es war ja offensichtlich, dass er dort wohnte. Er hörte nicht auf zu lächeln und antwortete nicht.
12
»Dreaming softens you and makes you unfit for daily work«
Installation von Henriette Heise
mit einem Zitat von Louise Bourgeois
Ich stand in der Lindenallee und sah auf den Fjord hinaus. Die Bäume hatten ausgeschlagen, unter ihnen flimmerte das Licht. Die Abendsonne vergnügte sich über dem dahingleitenden Wasser und spielte auf den Kräuselungen. Eine lange Zunge drang in meinen Ärmel. »Nein!«, schrie ich, starr vor Schreck, bevor ich ahnte, was es war.
»Der will nur spielen«, sagte ein Mann. Es war Brandt, der Arzt, mein Nachbar, »ach was!«, sagte ich, »hast du dir einen Hund zugelegt?«, allerdings erst, nachdem er ihn zu sich gezogen
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