Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leben nach dem Happy End

Das Leben nach dem Happy End

Titel: Das Leben nach dem Happy End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Juul
Vom Netzwerk:
die stets keusch
nach Seife und Bügeleisen duftet, voller Sorgfalt sein Ei pellt.«
    Vilhelms Zimmer , Tove Ditlevsen
    Nachdem der Gast gegangen war, trank ich noch einen Aquavit, blickte aus dem Fenster, rief auf Brandts Handy an, keine Verbindung. Ich klemmte Ingers Topf unter den Arm, ging nach nebenan und klopfte. Drinnen hörte man Geschrei, Lasses und ihre Stimme, ich drückte den Klingelknopf, obwohl er nicht funktionierte, und klopfte erneut.
    »Zum Donnerwetternochmal, er ist einfach nicht zu ertragen! «, brüllte sie mir ins Gesicht, kam ganz bis auf den Platz hinaus und drehte sich um.
    »Er ist doch nur ein Teenager«, murmelte ich.
    »Das ist keine Ausrede für alles!«, schnaubte sie. »Ich bin ihn so leid , er erledigt sein Tagwerk nicht, er läuft hier herum und … und … er sollte mir heute Vormittag helfen, aber er ist gerade erst nach Hause gekommen und hat Kopfschmerzen und meint, heute Abend schon wieder ausgehen zu müssen, wie kann es überhaupt sein, dass er sich betrinkt, er ist gerade mal siebzehn, ist das denn nicht verboten?«
    »Ach, lass ihn doch …«, sagte ich und ging hinein, Lasse hing in der Küche über ein paar Haferflocken und einem Glas Kakao.
    »Hast du Kopfschmerzen?«, lachte ich. In diesem Alter war es lustig, einen Kater zu haben, man ist stolz darauf. »Ihr habt nicht zufällig Brandt gesehen? Sein Gast sagt, er wäre verschwunden.«
    Nee. Es war ihnen wohl auch egal. Ich betrachtete Lasse, schläfrig sah er aus, und einfach nur jungenhaft, etwas schüchtern. Noch vor kurzem hatte er etwas Schlimmes gerufen, seine Mutter war wütend.
    »Er nimmt und nimmt und gibt nie etwas zurück!« Sie schäumte. Lasse duckte sich. Ich wollte auch einen Teenager im Haus haben. Gern einen, der unzumutbar war. Sie durfte gern äußerst unzumutbar sein. Es eignen sich ja nicht alle Menschen dafür, Kinder zu haben, die meisten bekommen sie einfach trotzdem. Wie immer wurde ich von einer Zärtlichkeit überwältigt, die völlig umsonst war, da keine Kinder in der Nähe waren, um die ich mich kümmern konnte. Außerdem wurde Abby bald vierundzwanzig. Doch als sie klein war, als sie größer wurde, wenn sie lachte und wenn sie weinte, wenn sie schaukelte, wenn sie kleckerte, wenn sie spielte und spielte, wenn sie sich vertiefte, wenn sie sich kämmen ließ, wenn sie lachte und wenn sie weinte, wenn sie schlief und wenn sie aufwachte, wenn sie sang, wenn sie schrie, wenn sie fluchte und wenn sie flüsterte, wenn sie mit großem Appetit aß, wenn sie Grimassen schnitt, wenn sie Küsse austeilte und wenn sie einen verweigerte … das alles, das alles zu haben wünschte ich mir, doch als ich es hatte, bemerkte ich es kaum. Wenn ich aus Sehnsucht nach Abby geweint hatte, dann hatte ich eigentlich aus Sehnsucht danach geweint, eine anständige Mutter zu sein. Ich war eine Heuchlerin, die es einfach so gern gesehen hätte, dass Abby sie mochte, doch sie konnte mich nicht leiden, so einfach war das. Ich sah es oft vor mir, wie ich sie in meinen Armen gehalten hatte, als sie ein Säugling war, so, wie ich neulich mit dem neugeborenen schlafenden Enkelkind meiner Kusine im Arm dagesessen hatte, und ich hatte einfach nur sitzen und sitzen können und auf das kleine Gesicht starren und mich nach alldem sehnen, selbst danach, dass Kinder unverschämt waren, denn das wurden sie ja, und ich sehnte mich sogar danach, dass Abby mich verachtete, solange sie nur da war. Einer meiner verzweifelten Versuche, eine richtige Mutter zu sein, war durch eine Kolumne über Kochen angeregt worden, die beteuerte und versicherte, wenn man den Tisch nur hübsch deckte und etwas aus der Mahlzeit machte, eventuell mit farbenfrohen Servietten, würde sich die Stimmung unmittelbar zum Besseren wenden. Doch als ich mich zum ersten Mal in dieses Projekt stürzte, fiel es Abby und ihrem Vater kaum auf. Jedenfalls war Abby auf dem Kriegspfad, kaum dass ich bitteschön gesagt hatte, und als sie den ersten Bissen probiert hatte, rief sie: »Dein Essen schmeckt nach Scheiße!« Obwohl mich das wirklich traurig machte, war ich kurz davor zu lachen, was ihr sofort auffiel und sie noch wütender machte. Jetzt erinnere ich mich nur noch an die Antwort und an ihre glänzenden Augen, nicht mehr daran, warum sie so wütend gewesen war. Vielleicht hatten wir damals bereits beschlossen, uns scheiden zu lassen, dann war das wohl der Grund.
    »Wo hast du gestern plötzlich gesteckt?«, fragte Inger. »Und wer war diese schwangere Grazie,

Weitere Kostenlose Bücher