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Das Leben nach dem Happy End

Das Leben nach dem Happy End

Titel: Das Leben nach dem Happy End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Juul
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gesehen.«
    »Es sind doch immer so viele Leute da.«
    »Nein, es waren nicht besonders viele da.«
    »Es tut mir leid. Dass ich dich nicht wiedererkannt habe.«
    Sie zuckte mit den Schultern.
    »Ich dachte immer, ich würde dich unter einer Million Menschen erkennen.«
    »Warum?«
    Sie stand direkt vor mir. Sie sah erwachsen aus und so jung, so jung, wie sie sich auf keinen Fall fühlte, das wusste ich. Nie fühlt man sich so klug und reif und erwachsen, wie in der Zeit, in der man es nicht ist. Aber das konnte ich nicht sagen. Ich fand, sie war das schönste Wesen, das mir je begegnet war. Konnte ich das sagen? Jedenfalls war sie eigentlich nicht besonders nett, aber damit hatte ich auch nicht gerechnet.
    Jetzt sah sie unter meinen Schreibtisch, zog an etwas und richtete sich mit dem Telefonstecker in der Hand wieder auf. »Hast du den Stecker rausgezogen?« Ich wagte es nicht, ›dumme Frage‹ zu sagen. Während sie auf dem Boden herumkrabbelte, um ihn wieder hineinzustecken, setzte ich mich aufs Sofa. »Mir ist etwas schwindelig. Ich habe nicht viel geschlafen diese Nacht«, sagte ich.
    »Warst du heute Nacht etwa gar nicht zu Hause?« Sie stand im Türrahmen und sah beinahe verärgert aus.
    »Nein, war ich tatsächlich nicht.«
    »Aber es ist doch schon mitten am Tag, wo bist du gewesen?«
    Ich musste lachen. Als ich mein eigenes Lachen hörte, gefiel es mir ungemein, und ich verlängerte es noch ein wenig. Sie sah aus, als hätte sie etwas Ekelerregendes entdeckt. Vielleicht bemerkte sie, wie ich roch.
    Sie setzte sich an den Rand eines Sessels. »Papa hat sich ja scheiden lassen«, sagte sie. »Sie will ihn die Zwillinge nicht sehen lassen.«
    Ich versuchte, unbeeindruckt auszusehen. »Wann war das denn?«
    »Vor einem halben Jahr.«
    »Davon hat er mir überhaupt nichts erzählt.«
    Schließ den Mund und guck nicht so dämlich, kleine Abby.
    »Du hast mit ihm gesprochen ?«
    »Ja, er war sogar hier.«
    »Hier? Warum?«
    »Ja, warum? Das haben wir nicht vertieft. Warum bist du hier? Halland ist tot, ich vermute mal, dass ihr aus diesem Grund jetzt plötzlich alle angelaufen kommt.«
    »Aber Papa hasst dich doch.«
    »Tut er das? Noch immer? Das hat man ihm aber nicht angemerkt.«
    Sie starrte Frederik den Sechsten an.
    »Und Halland darf man gar nicht erst erwähnen.«
    »Das tust du aber doch wohl auch? Mich hassen?«
    »Nee. Früher schon, aber jetzt habe ich mir einfach nur abgewöhnt, dich zu sehen.«
    »Hast du mich nie vermisst?«, wagte ich zu fragen.
    »Doch, natürlich habe ich das.«
    »Du hast mal gesagt, mein Essen würde nach Scheiße schmecken.«
    Sie rümpfte gehörig die Nase. »Das habe ich nie gesagt.«
    »Ist ja auch egal.«
    »Versuchst du mir gerade einzureden, dass du dich hast scheiden lassen, weil ich das gesagt habe? Hast du Halland geheiratet, um mich loszuwerden?«
    »Nein, nein, bist du verrückt, ich versuche gar nichts, es ist mir rausgerutscht. Das gehört zu den traurigen Dingen, ich meine, wenn ich versuche, dir eines zu sagen, dann ist es vielleicht, dass es nicht leicht ist, Mutter zu sein.«
    »Und deshalb haut man einfach ab?«
    »Überhaupt nicht! Hör auf! Seit deinem Auszug habe ich dich jeden einzelnen Augenblick vermisst. Du warst doch diejenige –«
    »Nein, du , Mama.« Sie stand auf und schüttelte sich. Sie nannte mich Mama. Jetzt war ich gerührt.
    »Ja, ich war es«, sagte ich. »Möchtest du was essen?«
    Jetzt lächelte sie. Sie lächelte !
    »Papa hasst dich wirklich ! War er gar nicht gemein zu dir, als er hier war?«
    »Nicht die Spur. Nur –«
    »Nur was?«
    »Langweilig?«
    Sie brach in lautes Gelächter aus. Ach, meine Tochter in meinem Wohnzimmer, und sie lachte. Warum durfte Troels die Zwillinge nicht sehen. Was war das schon wieder?
    »Meine Kochkünste haben sich nicht verbessert, aber ich muss bald etwas essen, wenn ich etwas finde.«
    »Ich habe was zu essen dabei«, sagte Abby. »Es ist in der Kühltasche im Auto. Setz dich, ich kümmere mich darum.«
    Da ist etwas, das ich nicht erzählt habe.
    Natürlich habe ich vieles nicht erzählt, wie sollte das auch gelingen, alles wiederzugeben. Dennoch gibt es etwas, das ich nicht erzählt habe, und ich muss es schon mit Absicht übersprungen haben, darin liegt der Unterschied. Oder gibt es gar keinen Unterschied. Die Dinge, von denen ich nicht weiß, dass ich sie überspringe, überspringe ich vielleicht auch absichtlich. Ich überlege auch, ob es nicht zu leicht ist, einfach zu behaupten, in meinem

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