Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Leben nach dem Happy End

Das Leben nach dem Happy End

Titel: Das Leben nach dem Happy End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pia Juul
Vom Netzwerk:
widerlich und eine Erleichterung zugleich, mein gesamter Körper zitterte, aber dann kam nichts mehr, und das war das Schlimmste, zu würgen, ohne dass etwas herauskam, dann beruhigte sich der Magen endlich, ich wischte mir mit dem Handrücken die Stirn ab, spuckte ins Gras und bog um die Ecke, dort lehnte mein Fahrrad neben einer Bank an der Hausfassade. Sie hieß Stine, mein Kopf dröhnte, wie war ich heute Nacht auf ihrem Sofa gelandet, und war ich mit dem Fahrrad hierhergefahren? Ich setzte mich auf die Bank, die Sonne fiel darauf, mein Kopf mochte das Licht nicht, doch ich fror, ich konnte ihr Lachen bis hierher schallen hören, lachte sie auch, wenn sie alleine war, oder telefonierte sie. »Das darfst du niemals jemandem erzählen«, hatte Halland manchmal gesagt. Es war doch zum Heulen. War es auch sein Hohngelächter, das ich vernahm, sollte ich sein Geschenk an dieses schwachsinnige, lachende Weib dort drinnen sein, ich weigerte mich, das zu glauben, er hatte sich in ihrer Gesellschaft wohlgefühlt, das war doch der reinste Wahnsinn. Ich trauere ja auch selbst!

24
    »Wenn man sieben kleine Kinder hat«,
sagte die Mutter,
»fällt ständig eins runter.«
    Auf Reisen mit H. C. Andersen , William Bloch
    Als ich den Platz erreicht hatte, sprang ich vom Fahrrad und schob. Vielleicht sollte ich lieber sagen stieg vom Fahrrad, ich hatte keine große Sprungkraft mehr, fühlte mich leer und gleichzeitig durch und durch metallisch, ein Metallgeschmack. Ein Kopfschmerz, entfernt, aber spürbar. Etwas, das an Angst erinnerte, aber wovor. Das alles gehörte zum Schnapstrinken dazu, es war nicht das erste Mal. Ein Ammoniakgestank stieg mir in die Nase. Drüben auf dem Treppenabsatz saß jemand. Soweit ich erkennen konnte, war es eine Frau, aber keine, die ich kannte. Sie saß und las, sie hätte ich sein können. Ich begann, den skeptischen Blick aufzusetzen, mit dem ich Touristen bedachte, die glaubten, sie könnten auf dem Platz stehen und durch die Fenster hineinsehen oder durch eine geöffnete Haustür fotografieren, doch dann hielt ich inne. Sie sah auf. Sie lächelte nicht, aber ich.
    »Wie oft putzt du eigentlich?«
    Das war das Erste, was sie mich fragte, nachdem ich sie ins Haus gelassen hatte. Sie war formidabel. Sie konnte saubermachen, oder jedenfalls erkennen, wann es nötig war. »Ich putze so wenig wie möglich«, sagte ich. »Ich bin gut darin, den Schmutz zu sehen, aber ich unternehme nichts gegen ihn. Und dem Mädchen, das sonst immer kommt, habe ich gekündigt.«
    »Nur weil dein Mann gestorben ist, muss dein Haus ja nicht im Schmutz versinken«, sagte sie. Formidabel und praktisch veranlagt. »Gehört das Haus auch dir?«
    »Nein, eigentlich nicht, aber bald.«
    »Wann?«, erkundigte sie sich interessiert. Es war einfach zu banal.
    »Das spielt keine Rolle«, sagte ich, »aber es ist lieb von dir, dass du dich um meine Zukunft sorgst.«
    Sie sah sich eingehend um, setzte sich nicht, suchte die Wände, das Klavier, die Regale, die Bilder ab und hielt vor einem Porträt inne.
    »Du hast Frederik den Sechsten an der Wand?«, fragte sie ungläubig.
    Ich war entzückt darüber, dass sie wusste, wie Frederik der Sechste aussah, behielt es aber für mich. »Das gehört Halland.« Falsche Antwort, sie ging weiter. Die Tür zu meinem Büro stand offen. »Hier arbeitest du also? Wo hätte ich denn überhaupt wohnen sollen?«
    »Dein Zimmer ist oben«, sagte ich. »Wenn du willst, kannst du heute Nacht dort schlafen.«
    Sie ging zu meinem Schreibtisch und sah aus dem Fenster.
    »Ein zitternder Spiegel«, sagte sie.
    »Was?«
    » Der Fjord . Wir mussten die Erzählung in der Schule lesen. Sowohl in der Mittel-als auch in der Oberstufe.«
    »Wie einfallsreich.«
    »Du hast den Fjord als zitternden Spiegel bezeichnet.«
    »Wirklich?«
    »Einer der Lehrer nannte das klischeehaft, das machte mich wütend.«
    Es hatte sie wütend gemacht! »Aber es ist ja auch klischeehaft.«
    »Ja.«
    »Vielleicht habe ich es irgendwo geklaut, es klingt fremd. Ich kann mich nicht einmal daran erinnern, dass ich das geschrieben habe.«
    »Nein.« Sie richtete sich auf und sah sich um. »Was für ein fürchterliches Chaos, es ist genau so, wie es war, als ich klein war. Du hast diese Erzählung auch mal vorgelesen, als ich dich bei einer Lesung gehört habe.«
    Ich bekam Ohrensausen. »Du warst bei einer meiner Lesungen.«
    Sie zuckte mit den Achseln.
    »Ohne zu mir zu kommen und Hallo zu sagen.«
    »Du hast mich ja nicht

Weitere Kostenlose Bücher