Das Leben nach dem Happy End
das ist doch unmöglich, wo? «
»Ich habe ihn einfach so gefunden, aber es gibt für Sie wohl kaum noch einen Grund, ihn zu untersuchen, jetzt, wo Sie diesen Gemeindejäger gefunden haben, falls er es gewesen sein sollte, der Halland aus Versehen erschossen hat.«
»Darüber brauchen Sie sich nicht den Kopf zu zerbrechen, ich schicke einen Mann vorbei, der ihn abholt. Und wir müssen natürlich wissen, wo Sie ihn her haben!«
Ich legte auf.
»Ich muss los!«, sagte der Gast, sobald ich mich zeigte.
»Meinetwegen müssen Sie aber nicht gehen!«, sagte ich. »Abby hat gebacken und so.«
»Das Brot muss jetzt aus dem Ofen«, sagte sie und ging an uns vorbei. Sie huschte geschäftig hin und her. Mehr als gestern.
»Nein, ich muss zur Arbeit«, sagte er. »Ich wollte nur noch … was sagen …«
»Auf Wiedersehen?«, fragte ich. »Guten Morgen? Danke, es war schön gestern?«
»Mama!«, sagte Abby.
Sie sahen einander über mich hinweg an. Jetzt wurde ich auch gleich rot. »Ich gehe pinkeln«, sagte ich.
Das tat ich nicht, blieb lediglich stehen und betrachtete mich im Spiegel über dem Waschbecken, ließ das Wasser laufen und hielt die Hand in den Wasserstrahl, zog sie weg und hielt sie hinein, drehte den Hahn zu. Wartete. Peter Olsen, wer war dieser Narr? Und wer war die Frau im Spiegel? Der Mann dieser Frau ist tot. Die mit Sehnsucht erwartete Tochter der Frau ist zurückgekehrt. Machte es einen Unterschied? Der Blick ist leer, aber das ist er im Spiegel immer. Halland rasierte sich, ohne dabei in den Spiegel zu sehen, wusste ich eigentlich, warum? Machte es denn gar keinen Unterschied, er ist weg, sie ist gekommen, warum macht es keinen Unterschied. Es stimmte nicht, dass es keinen Unterschied gab. Ich hatte ein Gefühl von Metall im Magen, das ich vor Hallands Tod nicht kannte. Und ich hatte einen Drang zu lachen, den ich vor Abbys Rückkehr nicht kannte. Mein Blick im Spiegel war jedoch leer wie immer.
»Achtundneunzig-neunundneunzig-hundert! Ich komme!«, rief ich.
»Er ist schon weg!«, rief sie.
Wir setzten uns wieder in die Küche. Das hatte etwas von einer Prüfung, dachte ich plötzlich, es war nicht angenehm. Aber das Brot war gut, obwohl es innen etwas feucht und viel zu warm war, ich schwieg und aß und genoss es. Ich schielte zu ihr hinüber. Es war leicht zu erkennen, dass sie es war, und unbegreiflich, dass sie in einem Raum mit zwanzig, vielleicht sogar nur zehn Personen gewesen war, ohne dass ich sie erkannt hatte. Sie hatte die gleichen braunen Augen, das gleiche blonde Haar, obwohl es nun etwas dunkler war und oben auf dem Kopf zusammengesteckt. Sie war mollig, sie ähnelte Troels’ Schwester, das hatte sie schon getan, als sie klein war, doch sie ähnelte auch mir, ich konnte mich selbst in ihr wiedererkennen und freute mich und war sofort peinlich berührt von dieser Freude.
»Ich habe sie nicht geöffnet«, sagte sie. »Aber oben im Zimmer auf dem Regal stehen ein paar Kartons … auf denen Abby steht!«
»Ja«, sagte ich. »Du darfst sie gern öffnen, sie sind für dich.«
»Was ist denn drin?«
Ich holte tief Luft. »Alles Mögliche, das ich dir hätte erzählen sollen.«
»Wie meinst du das?«
»Sie sind voller Notizbücher. Keine Tagebücher, so was schreibe ich nicht, sondern … weißt du, es gab so vieles, von dem ich dachte, ich hätte es dir erzählen sollen. Du warst dabei, erwachsen zu werden, du wolltest mich nicht sehen, also habe ich angefangen, dir zu schreiben. Also … so ist das. Also …«
»Entschuldige bitte«, sagte meine Tochter, »aber ich finde, das klingt fast ein bisschen krankhaft?«
Ich schämte mich. Auf der Stelle. Ich hatte nie zuvor darüber nachgedacht, was es bedeutete, wie es aufgefasst werden könnte. Ich hatte Abby vor mir gesehen, das Kind. »Ach ja, aber … es ist ja auch wirklich krankhaft. Ich war auch nicht gesund seit, nein, ich meine … Ich weiß nicht, was ich meine. Lies nicht darin, das wird nur für uns beide peinlich. Wir kennen einander ja auch nicht mehr, sie sind an diejenige adressiert, die du damals warst …«
»Was wolltest du mir denn zum Beispiel erzählen?«
Ich überlegte. »Zum Beispiel, wie oft ich glaubte, ein erotisches Erlebnis zu haben, und in Wirklichkeit küsste ich nur eine Tür.«
»Mama!«
»Doch. Ich übernachtete gemeinsam mit einigen Freunden – also, als ich ein Teenager war, vielleicht gerade noch einer war, ich war wohl schon neunzehn – da lag ich da und küsste einen Jungen, den ich toll
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