Das lebendige Theorem (German Edition)
behalten?
Im Endeffekt werden wir uns die Funde bei diesem Projekt schon teilen: Auf mich entfallen die Normen, die Schätzungen der Ablenkung, die Abnahme bei großen Zeiten und die Echos; auf ihn entfallen das Time Cheating, die Stratifizierung der Fehler, die Schätzungen mit zwei Zeitpunkten und das Verfahren ohne Regularisierung. Und dann gibt es noch die Idee der gleitenden Normen, die in einer gemeinsamen Arbeitssitzung entstand und von der wir nicht genau wissen, auf wen sie zurückgeht … Ganz abgesehen natürlich auch von Hunderten kleiner Tricks.
Und wenn man es noch einmal bedenkt, dann war es eigentlich doch gar nicht so schlecht, dass wir uns mitten in unserem Projekt trennten: Einen oder zwei Monate lang war jeder auf seine eigene Idee fixiert und blieb taub für die Argumente des anderen, aber jetzt haben wir verstanden, dass wir die beiden Gesichtspunkte miteinander verknüpfen müssen.
Jedenfalls, wenn Clément recht hat, dann ist gerade das letzte große begriffliche Schloss aufgesprungen. An diesem Sonntag, den 1. März, tritt unser Unternehmen in eine neue Phase ein, die zwar langwieriger, aber auch sicherer ist. Der Umriss des Ganzen steht, die Erkundung nach allen Richtungen ist vorbei. Jetzt muss man konsolidieren, ausbauen, überprüfen, überprüfen, überprüfen … Das wird der Augenblick sein, unsere Feuerkraft in der Analysis einzusetzen!
Viel später wird mir Clément eingestehen, dass er sich an diesem Wochenende entschlossen hatte, ganz aufzuhören. Am Samstagmorgen hat er begonnen, eine finstere Botschaft zu verfassen: »Alle Hoffnung ist verloren … die technische Klippe, mit der wir es zu tun haben, ist unüberwindlich … kein Ausweg in Sicht … ich gebe auf.« Aber er hat den Zeitpunkt des Abschickens hinausgezögert, er wollte die richtigen Worte finden, um mich zu überzeugen und aufzumuntern, er hat seine Botschaft auf Eis gelegt. Als es Abend wurde und er an seiner Nachricht weiterschreiben wollte, bewaffnet mit einem Blatt Papier und einem Bleistift, um sich die unfruchtbaren Wege wieder ins Gedächtnis zu rufen, hat er mit Verblüffung gesehen, wie sich die richtige Taktik vor ihm auftat. Am nächsten Morgen, nachdem er um 6 Uhr nach einigen Stunden unruhigen Schlafs aufgestanden war, hat er alles neu geschrieben, um die Schlüsselidee, die uns aus dem Schlamassel herausziehen soll, ins Reine zu bringen.
An jenem Tag haben wir um ein Haar das Projekt aufgegeben. Mehrere Monate Arbeit wären beinahe verschwunden – bestenfalls im Eisfach, schlimmstenfalls im Rauch.
Aber auf der anderen Seite des Atlantiks ahne ich nicht, dass wir knapp an der Katastrophe vorbeigegangen sind, alles, was ich sehe, ist die Begeisterung, die in Cléments Botschaft durchdringt.
Morgen hüte ich die Kinder, die Schule fällt aus wegen des Schneesturms; aber ab übermorgen wird es krachen, das Problem muss sich in Acht nehmen. Ich werde Landau überallhin mitnehmen, in den Wald, an den Strand, in mein Bett, das wird sein Freudenfest sein.
Im Februar 2009 habe ich mit Clément gut hundert E-Mails ausgetauscht; im März werden es mehr als 200 sein.
*
Date: Sun, 1 Mar 2009 19:28:25 +0100
From: Clement Mouhot
To: Cedric Villani
Subject: Re: global-27
Vielleicht eine Hoffnung auf einem anderen Weg: nicht regularisieren, sondern versuchen, die Norm auf einen Shift zu propagieren, den wir bei jedem Schritt des Schemas brauchen, aber entlang der Charakteristiken des vorangehenden Schritts. In der Reihenfolge würden wir also in n-ter Ordnung Folgendes schätzen (ich schreibe nicht jedes Mal die summierbaren Verluste auf lambda und mu auf):
1) Norm F der Dichte \rho_n mit Index lambda t + mu
2) Norm Z der Verteilung h_n mit Index lambda, mu und t
3) Norm C des räumlichen Mittelwerts mit Index lambda
4) Norm Z zum Zeitpunkt tau mit einem Shift –bt/(1+b) entlang der (vollständigen) Charakteristiken S_{t,tau} (n-1)ter Ordnung. Wir leiten in tau ab, um eine Gleichung über
H_tau := h^n _tau \circ S_{t,tau} ^{n-1}
zu erhalten vom Typ (ich schreibe die jeweiligen Minuszeichen nicht hin)
\partial_tau H = (F[h^n] \cdot \nabla f^{n-1})
\circ S_{t,tau} ^{n-1} + (F[h^{n-1}] \cdot \nabla h^{n-1})
\circ S_{t,tau} ^{n-1}
Also im Wesentlichen gibt es bei dieser Gleichung überhaupt kein Feld mehr, und wir behandeln die ganze rechte Seite wie einen Quellterm, indem wir die Schranken von Punkt 1) für die Dichte benutzen: Wir
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