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Das leere Land

Das leere Land

Titel: Das leere Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kohl
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herausgebildet, anfangs noch ohne oder fast ohne Strukturen. Oft wird gesagt, die Konstantinische Wende im vierten Jahrhundert hätte die Kirche zu dem gemacht, was sie später geworden ist. Das waren präzise die Worte des Ehrwürdigen Vaters. Wenn ich ihn richtig interpretiere, will er damit sagen, dass es viele Zugänge gebe, die man ruhig nebeneinander stehen lassen könne. Über sie zu streiten würde nur Unfrieden bringen.
    Niemand will streiten über diese Frage, sagte ich, ich hätte es lediglich für einen sinnvollen Hinweis gehalten, wenn der Leser aus dem Aufsatz erfahren könnte, ob die Gemeinde des Heiligen Severinus bereits eine katholische war.
    Ich bitte Sie, aus dieser Lappalie keinen Konflikt erwachsen zu lassen. Ich finde es sogar äußerst reizvoll, vom Werden der Einen Heiligen Katholischen Kirche als einem Prozess zu denken. Es würde dem Aufsatz etwas Liebenswürdiges geben, und es beweist zugleich, dass der Ehrwürdige Vater im Eigentlichen sehr abgeklärt und offen an die Dinge heran geht.
    Sie lenken ab. Es geht um den Versuch einer Einflussnahme auf meinen Text.
    Ich habe Ihnen die Kopie des Briefes nur zur Information gesandt.
    In meinem Vertrag steht nichts von redaktionellen Einflussmöglichkeiten auf meinen Text durch eine dritte Seite.
    Lesen Sie Ihren Vertrag genau.
    Das werde ich tun!
    Der Ehrwürdige Vater ist eine sehr gütige Person, glauben Sie mir. Er musste sich einfach äußern. Er muss sich selbst absichern nach oben, wenn Sie verstehen. Er wird mit Gewissheit keinerlei Einfluss auszuüben versuchen.
    Das will ich schriftlich.
    Ignorieren Sie den Brief einfach, sagte er und legte auf.
    Ich ärgerte mich über seine höchst wirksame und höchst professionelle Intervention. So ungreifbar, dass man sich nicht wehren konnte dagegen. Muss er in einem NLP -Training gelernt haben. Auf der Couch vor dem Fernseher fragte ich mich, ob ich tatsächlich gegen Gott wütete, wie der Abt meinte. Oder ob etwas in mir wütete, gegen meine Mutter, gegen das Dorf, gegen das Land, weil sie alle aus meinem Sein ein zu kurz gekommenes Sein gemacht haben. Und ob ich meine Wut möglicherweise lieber an die falschen Adressaten richte, also sie dem armen Severinus und seinem Chronisten an den Kopf werfe. Wütete ich gegen den Jahrmarkt um die Person des Heiligen Mannes, oder gegen etwas, über das ich mir gar nicht im Klaren sein will?

52
    Ich habe beinahe einen unitarischen Halbpfarrer verprügelt. Er hätte sich nicht gewehrt, ich hätte ihn ohne Weiteres zusammenschlagen können, obwohl ich kurzatmig bin und das Bücken zwecks Zubindens der Schuhbänder reicht, um mich zum Schwitzen zu bringen.
    Ich fand viertelstundenlang keine Zufahrt zum Pfarrplatz in Linz, das Einbahnsystem hatten sie vollkommen umgedreht, ohne jede erkennbare Logik, dazu gleich mehrere Baustellen angelegt, wie ja ganz Linz eine einzige Baustelle war in jenen Jahren, als es sich aufputzte für das europäische Kulturhauptstadtjahr. Das Straßenstück zwischen Stadtpfarrkirche und Café Meier war jetzt eine Sackgasse, ich hielt den Fox an genau vor dem Seiteneingang der Kirche, wartete auf das verängstigte Wasserlüchslein.
    Drüben der Gastgarten des Kaffeehauses Meier, als flaches Bretterpodest hinaus gebaut über sechs einstige Kurzparkplätze. Dieses Café war einmal das Speedy gewesen. Auf diesen Parkplätzen, wo jetzt die Leute an Kaffeehaustischen saßen in der Spätseptembersonne, hatten damals die Nachwuchszuhälter ihre amerikanischen Angeberautos abgestellt, dann mussten die anderen herauskommen und mit gebührender Ehrfurcht die Camaros und Stingrays bewundern. Der Freund des Gelben hatte sich unsterblich blamiert, als er einen protzigen Mustang eingeparkt hatte. Er ließ die acht Zylinder des Motors ein paar Mal aufheulen, bis genügend Speedy-Gäste draußen waren und mit abschätzenden Mienen den Gebrauchtwagen umkreisten, sich etwas zuflüsterten von mindestens zweihundert PS und gegen die Reifen traten, natürlich waren es die Cooper Cobra Breitreifen.
    Die Mustangmänner hockten dann eine Weile in den Plastiksesseln vor dem Colaautomaten, ehe sie aufbrachen. Doch das amerikanische Zuhälterpferdchen wollte nicht, es sprang nicht und nicht an. Aus dem dumpfen bedrohlichen Gurgeln der Anlassergeräusche konnte man hören, um was für ein Kraftpaket es sich da handelte, die Junkies und Peitscherlbuben nickten sich wissend zu ob dieses Grollens, aber sie grinsten dabei auch, weil eben nur der Anlasser röhrte und

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