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Das leere Land

Das leere Land

Titel: Das leere Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kohl
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weil er ein zu erfolgreicher Konkurrent war, wenn es galt, Häschen und Kitzlein zu erjagen im dunklen Tann. Der Fuchs war der Stammesname und das Totem der Meskwaki, die in den Zeiten des Eindringens der europäischen Eroberer die gefährlichsten Feinde der Anishinaabe waren.
    In Kohls Kitchi Gami kommen die Meskwaki-Füchse nur in ein paar Nebensätzen vor, als er die Tragödie der Siskiwit kurz anreißt. Ein Nachkomme der Opfer dieses Dramas aus frühkolonialen Zeiten hatte ihm davon erzählt, während er dem deutschen Abenteuerurlauber versuchte zu erklären, wie die komplexen Zeichenschriftsymbole auf einer alten Birkenrindenrolle zu lesen seien. Das Anishinaabe-Volk hatte seine Heimat auf dem Eiland Shaguamiko, Etwas Das Von Allen Seiten Angenagt Wird, Teil der Inselgruppe Mooningwanekaaning, Heimat Des Goldbrustspechts, was die Franzosen später Les isles des Apotres, Apostelinseln, die Amerikaner am Ende Madeline Islands nannten. Der Anishinaabe-Clan der Siskiwit bewohnte die Gegend um La Pointe, Jahrhunderte später das Hauptquartier von Kohls Feldstudien. Die Kriege der Franzosen mit den Irokesen verdrängten die Meskwaki-Füchse aus ihren Revieren im Osten, sodass sie in die Territorien der Anishinaabe an den Großen Seen strömten.
    Wie in den Zeiten von Severinus und Romulus Augustulus und Odoaker die Rugier und Heruler von Stämmen verdrängt wurden und ihrerseits Stämme verdrängten, so ist die Siskiwit-Tragödie eine Verdrängungsgeschichte, die jedoch tradiert wird als Heldensage unter den Nachkommen der Opfer. Und die Geschichte der Füchse, der Meskwaki, der gefürchteten kampfstarken Eindringlinge aus dem Osten, endete nach ein paar Jahrzehnten mit einer ethnischen Säuberung, die nicht nur den Großteil dieses Volkes, sondern am Schluss auch seinen Namen auslöschte nach dem Ende der legendenumwobenen zwei Kriege der Füchse.
    Das Frühlingslager der Siskiwit beim heutigen La Pointe wurde von den Füchsen angegriffen, während Häuptling Bayaaswaa den Rehen und Hirschen nachjagte in fernen Wäldern. Bayaaswaa, Der Von Rauch Und Sonne Getrocknete, Stammesführer vom Clan der Spießenten, kehrte zurück und fand sein gesamtes Volk erschlagen, bis auf seinen Sohn und einen alten Mann, die die Feinde verschleppt hatten in ihr Kriegslager, um sie am Marterpfahl zu töten. Der Häuptling schlich ins Lager der Füchse, aus einem Versteck sah er zu, wie der alte Mann zu Tode gefoltert wurde. Da sprang er vor und forderte die Füchse auf, sie mögen als Nächstes ihn zu Tode martern und den Sohn freilassen. Die Meskwaki, gerührt vom Opfermut des Vaters, gingen auf den Tausch ein. Als Pointe der Geschichte gibt es zwei Versionen, der Sohn kam frei in beiden, der Vater starb heldenhaft unter Folter in der einen, in der anderen stürzte der Vater, sobald er den Sohn in Freiheit sah, auf die Füchse und nahm kämpfend viele von ihnen mit in den Tod.
    Der Sohn, der ebenfalls Bayaaswaa hieß und dessen Clantotem ebenfalls die Spießente war, Anas acuta, jenes elegante Geschöpf, das die wasserreichen Landstriche um die Großen Seen liebt und das seiner Wachsamkeit und seines schnellen Fluges wegen einen geschickten Jäger fordert, den es aber dann mit feinstem Fleisch zartesten Geschmacks belohnt, Bayaaswaa der Jüngere schließlich wurde an den Lagerfeuern der Anishinaabe gerühmt über die Generationen, weil er das Volk siegreich angeführt hatte, als es galt, wegen der den Druck ständig erhöhenden Bleichen Männer aus dem Osten die angrenzenden Lakota zu vertreiben und den Anishinaabe Lebensraum, wenn auch nur temporär, im heutigen Minnesota zu sichern. Die endgültigen Bezwinger seines Volkes, die Gewinner des Kolonialisierungsprozesses, ließen den Namen der beiden tapferen Häuptlinge weiterleben, indem sie eine unbedeutende Straßenbrücke nach ihnen benannten, nicht ohne den Namen zu verballhornen. Die Biauswah Bridge spannt sich über den St. Louis River nahe dem Fond-du-Lac-Park, wo der Fluss die Grenze zwischen Wisconsin und Minnesota bildet, ein Benutzer des Minnesota State Highway 23 muss keine zwanzig Kilometer Richtung Osten fahren, um vom tristen Brückenbauwerk Bayaaswaas aus die Geburtsstadt Bob Dylans zu erreichen, das prekariatsamerikanische Duluth.
    Irgendwie sei die Hereinnahme eines Stilmittels wie der Klage schon eine interessante Idee, sagte der Sprecher meiner Auftraggeber, aber der Sinn dieses Vorhabens erschließe sich ihm nicht wirklich.
    Wie sollte er auch. Der Sinn von allem,

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