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Das leere Land

Das leere Land

Titel: Das leere Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kohl
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was ich tat und sprach, geriet immer mehr zu einem Sich-Drücken. Ich legte Dokument um Dokument an mit neuen Ideen zur Verknüpfung des Vergangenen mit dem Hier und Jetzt, aber vor dem Dokument, das anzulegen anstand, drückte ich mich. Denn sollte es Wurzelgeflecht geben, das heraufreicht von den Todgeweihten in Rugiland ins Heute, dann ist es eines, das aus dem Vergangenheitsmoder ausflockt ins Naziland meiner Totenkopfonkel und in meine eigene kleine Donauuferkitschkindheit. Ist eines, das herausgreift aus dem aufgeschichteten Schlamm und die kalte Gegenwart der Wasserluchsweibchenjäger packt und sie verknüpft mit der endlosen, um den Zeitpfeil in die Vergangenheit gewickelten Perlenkette von schuldhaftem Nichthandeln und schuldhaftem billigendem Inkaufnehmen.
    Dem weiche ich aus und bastle lieber Schnurren um eine durchsichtige Heiligenlegende oder Kurznovellen um den Krieg der Füchse im Lederstrumpfsehnsuchtsland meiner Kindheitslektüren. Damit drücke ich mich vor meiner Mutter und vor der Kindfrau, die sich Trixi nennt, und der ich Indianernamen gebe, um Distanz zu gewährleisten, weil ich die Kontrolle aufgeben müsste, würde ich mich nicht fernhalten, von beiden. Mit einem Aufgeben jedoch würde ich nicht nur die Kontrolle, sondern mich selbst verlieren. Es ist mir unmöglich, mich aufzugeben, mich zu verlieren, weil ich befürchte, ich würde mich nicht wiederfinden, mich nicht zurückbekommen.
    Sehen Sie in die Zeitungen, sagte ich ins Handy, Burma.
    Schlimm, sagte der Sprecher meiner Auftraggeber.
    Hat sich nichts geändert im Lauf der Jahrhunderte, sagte ich, verstehen Sie, zu all dem fällt mir eigentlich nur ein Klagegesang ein als adäquate Darstellungsform.
    Noch immer dominierten die burmesischen Mönche die vorderen Seiten der Zeitungen. Europa begann allmählich, Druck zu entwickeln auf die Militärjunta, allerdings sehr vorsichtig und mit allen diplomatischen Finessen. Anders als Severinus, dem nur noch Grobheit und Derbheit geblieben zu sein schienen, als er in seinen letzten Lebensjahren Kastell um Kastell, Romanensiedlung um Romanensiedlung räumen ließ vor den von Norden und Westen andrängenden Barbaren, Wundertätigkeit war nach wie vor sein Werkzeug bei diesem Unterfangen, doch eine immer fadenscheiniger werdende Wundertätigkeit. Die Bürger der Stadt Lauriacum warnte er vier Tage lang vergeblich vor näher rückenden plündernden Alemannenhorden, in der fünften Nacht half nur noch ein Brüllen und Toben, me lapidate, kreischte der Heilige Mann, steinigt mich, ja, steinigt mich, wenn ich euch belüge! Da erst begannen die Lorcher, ihr Hab und Gut in Sicherheit zu bringen, gemeinsam Psalmen zu singen und die Stadtmauern mit Wachen zu besetzen. Ein kleines Wunder gewährte der Herr: Im Trubel dieser städtischen Auflösungserscheinungen geriet ein Heuwagen in Brand, die Alemannen, versteckt in den Wäldern rings um die Stadt, erschraken ob des Feuerscheins und des Geschreis in Lauriacum und bliesen den geplanten Angriff ab, nur die Viehherde eines Bauern, der dem Heiligen Manne nicht geglaubt und seinen Besitz nicht in Sicherheit gebracht hatte, fiel den räuberischen Scharen zum Opfer.
    Und die Lorcher erflehten in Demut Vergebung vom Heiligen Mann für die Sünde, die Wirksamkeit seiner Gnade der Prophetie bezweifelt zu haben, und Chronist Eugippius preist den Seher, der bewirkt hatte, dass Lauriacum, der letzten halbwegs sicheren Bastion an der Donau, die Freiheit erhalten geblieben war, mit einem Zitat des Apostels Jakobus: Viel vermag das inständige Gebet des Gerechten! Kurz danach rückte der Rugierkönig Feletheus mit einer großen Streitmacht gegen Lorch vor, um die wegen der Flüchtlingsströme unzumutbar viele Köpfe zählende Einwohnerschaft in Städte umzusiedeln, die ihm tributpflichtig waren. Severinus eilte ihm entgegen und überschüttete ihn mit einem Sermon über von Gott gewollte Gnade und die Überlegenheit göttlichen Schutzes gegenüber menschlichem. Und überredete den Rugier schließlich dazu, doch ihm, Severinus, und dem Wirken Gottes die Umsiedlung der Bedrängten zu überlassen. Dem stimmte Feletheus zu, und in der Folge organisierte Severinus die Auflösung Lauriacums und die Umsiedlung der Flüchtlingsscharen ins Rugierland. Doch wie wir wissen, dauerten die Blüte des kleinen rugischen Königreichs zwischen Enns und Wien und das Leben des Feletheus, den sie auch Fewa nannten, nur kurz, Odoaker selbst, den Feletheus tatkräftig unterstützt hatte beim

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