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Das leere Land

Das leere Land

Titel: Das leere Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kohl
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schließlich in einer Reservation in Kansas. Da zählten die Füchse noch zweihundert Köpfe.
    Der Sprecher meiner Auftraggeber plauderte ein wenig über Myanmar, er bewundere die Mönche, sagte er, wie sie fest und standhaft zum Richtigen stünden. Ich schlug vor, dazu eine Reflexion in den Aufsatz einzubauen. Das gefiel ihm nicht. Wenn Politik, dann mit einem mehr zeitlosen Ansatz, und unbedingt aufbauend und konstruktiv, sagte er. Zitieren Sie Giese und dessen kluge Abhandlung über das Paradoxe christlicher Politik und sein Grübeln über die Frage, ob christliche Politik nur unter Christen und für Christen gemacht werden kann. Spekulieren Sie ein wenig wie Giese, dass christliche Politik in reichen Gesellschaften möglicherweise unmöglich ist, ob sie nicht möglicherweise der Not, der Katastrophe, der Untergangsbedrohung bedarf. Und bringen Sie unbedingt was rein aus der feinen Ansprache von Gerolamo Prigione, diesem weltgewandten Titularerzbischof von Lauriacum, Apostolischer Nuntius zu Mexiko, sagte er, Sie kennen die Rede sicher aus der Literatur, oder, Festakt 1982 Lorch, also genau genommen hielt seine hochwürdigste Exzellenz die Würdigung unseres Heiligen Mannes ja in Enns, egal. Zitieren Sie ihn: Den Politikern zeigt Severin den Weg! Politiker sein bedeutet für Severin, Schützer der Menschenrechte und Anwalt der Armen und Unterdrückten zu sein. Severin lehrt uns heute, dass die Grundhaltung in politischem Entscheiden und wirtschaftlicher Auseinandersetzung die des Verhandelns und der Verständigung sein muss, die der Gewaltlosigkeit und der Versöhnungsbereitschaft! Unsere konservativen Landesherren in Oberösterreich und Niederösterreich mögen so was.
    Keine Klagegesänge, keine Anspielungen auf aktuelle Politikgeschehnisse, mit dieser Anweisung, die er nur notdürftig als Bitte formulierte, legte der Sprecher meiner Auftraggeber auf. Ich rief bei der Leihwagenfirma an, jemand hob ab. Ich schilderte dem Mietwagenangestellten mein Problem mit den flackernden und sich auflösenden Displayanzeigen am Armaturenbrett des Fox. Er kenne das Problem, sagte er und fragte, ob ich den Wagen zum Auslieferungshändler stellen wolle, man würde mir selbstverständlich ein Ersatzfahrzeug zur Verfügung stellen, aus einer höheren Klasse, Polo, vielleicht sogar Golf. Es dauert zwei Tage, sagte er, allmählich gehen bei allen Fox die Displays kaputt. Es ist wegen der Fertigung in Brasilien. Sie bauen die gleiche Displaytechnologie ein wie bei Handys, und die ist bekanntlich darauf ausgelegt, nach einem Jahr oder zwei kaputt zu werden, damit niemand der Notwendigkeit entkommt, sich im Jahres- oder bestenfalls Zweijahrestakt ein neues Handy zu kaufen. Oder sich eines schenken zu lassen und als Gegenleistung die Vertragsbindung zu verlängern.
    Ich würde überlegen, ob sich der Stress mit einem Wagenwechsel lohne, sagte ich. Es waren nur noch ein paar Tage, die ich das kleine blaue Füchslein brauchen würde, und da ich ohnehin nicht zum Überschreiten von Tempolimits neigte, jahrelange Gewöhnung in Ontario und Minnesota, käme ich mit dieser geringfügigen Befindlichkeitsstörung eigentlich gut zurecht. Ich würde mich melden, sobald ich mich entschieden hätte.
    Ja, Entscheidungen standen an. Das Beobachten galt es zu beenden, ebenso wie das Erzählen von Beobachtetem. Handeln war an der Reihe. Doch ich schob es vor mir her und verzettelte mich nach wie vor und versteckte mich hinter Eugippius’ Versuch zu erklären, wie die Dinge liegen und wie wir sie zu sehen haben, und in Dörflers und Lotters und Gieses und Zinnhoblers diesbezüglichen Versuchen. Weil es eine Möglichkeit war, das beiseite zu schieben, wovor ich Angst hatte. Es ging um zwei simple Entscheidungen: Verhöre ich meine Mutter zu ihrer mich betreffenden Vergangenheit oder nicht. Und: Schlafe ich mit dem Missabikongmädchen aus dem Land der Skipetaren oder nicht.

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    Kateri Tegagouita, Lilie Huron, Jungfrau der Mohawkufer, bitte für mich! Kateri Tegagouita, Muster an Keuschheit, Vorbild an Duldsamkeit, bitte für mich! Heiligste Kateri, sonnenlichtblindes Waldreh, bitte für mich! Eine blasphemische Rosenkranzbeterei, eine verdrehte Version der Litanei von Caughnawaga spulte sich ab in meinem Kopf an jenem Tag, an dem ich meine Mutter nach Hause fuhr von der Landesnervenklinik.
    Kateri Tegagouita fiel mir ein, virgo consecrata, die geweihte Jungfrau aus Caughnawaga, der die Krankheiten der römisch-katholischen Eroberer das Augenlicht geraubt

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