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Das leere Land

Das leere Land

Titel: Das leere Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kohl
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gnadenlosen Gott besessenen alkoholkranken Kreuzrittern des neuen Imperiums. Sie kann das leisten, ich nicht, sie ist des Teufels.
    Ich stellte mich auf vor ihr und ließ sie sprechen. Der Pfarrer von Hilkering hat eine Freundin in Oftering, aber die Freundin aus Oftering hat auch einen Pfarrer in Eferding, ließ ich sie sagen. Nein. Zu zotig. Nur weil wir damals, wenn wir spät in der Nacht zurückschlichen vom Dorfwirtshaus in die Internatsschlafsäle, gelegentlich einen der Zisterziensermönche in einem Auto sitzen gesehen hatten bei einer respektablen Ehefrau eines respektablen Gemeindebürgers, eine Priesterhand in der Bluse, die andere nur Gott und die Bürgersfrau wissen wo, nein, das ist kein Anlass für Zotiges.
    Ich stellte mich auf vor ihr, griff nach den dünnen Ästchen, die etwa in Mannshöhe aus ihrem gewaltigen Stamm sprossen, sie waren nur Wassertriebe, nutzloses verschwenderisches Wachstum, und riss ein paar Blätter ab, die schon begonnen hatten, sich zu verfärben. Als Kinder hatten wir, uns die ausgestreckten Hände reichend, den Stamm der Eiche zu dritt gerade noch umarmen können. Sie schien um vieles schneller gewachsen zu sein als wir Menschenkinder, drei erwachsene Männer meiner Größe könnten sie jetzt nicht mehr umfassen.
    Ich stellte mir vor, wie sie zusammenschrumpfte auf die Höhe eines Baummannes im tschechischen Kinderfilm, und wie sie zu sprechen begann. Kommen Buben wieder nach so viel Jahren, probt wieder Mut, was noch nie Mut gehabt hat? Muss mit dürrhartem Zweig in Haare fahren, muss Kindlein schrecken mit einem Eichenblatt?
    Hör auf zu reden, Teufelsbaum. Schöne Stanze, sagte die Eiche, willst nicht hören bis zum Ende? Traust dich nie! Ich ging weg. Sie hatte recht. Ich traute mich nicht. Ich fällte die Entscheidung selbst. Am Abend rief ich meine Mutter an und sagte ihr, dass ich gerne bei ihr wohnen würde für die zwei oder drei Wochen. Falls es ihr nichts ausmache. Schön, sagte sie.

19
    Jungfrau Die Das Streitpferd Führt kam herein durch die gläserne Schiebetür, blickte um sich, sah mich gleich, winkte, kam zum Tisch und setzte sich irgendwie vorsichtig in den plüschigen Kaffeehaus-Stuhl. Kohl beschreibt die Kriegsbräuche der Anishinaabe ausführlich. Wie sie, die pferdelosen Kämpfer an Flüssen und Seen lebender Stämme, bei jedem Kriegszug eine geschmückte Jungfrau mitführten in einem eigenen Kanu. Das Bild dieser die Männer an ihre Pflicht erinnernden lebendigen Mahnung, in einem Boot hockend, womöglich sich angstvoll an den Rindenwänden des Kanus festhaltend, schien ihm nicht eindrucksvoll genug. Darum wendet er sich mit auffallender Ausführlichkeit einem vergleichbaren Brauch eines benachbarten Reiterstamms zu, den in den Prärien lebenden Lakota. Hier schritt die Jungfrau den Männern voran, nicht reitend, zu Fuß, doch sie führte ein ebenfalls prächtig geschmücktes Pferd am Zügel dem Tross voran.
    Trixi war hereingeschritten in das Hotel-Café am Schillerpark wie eine, die das Streitpferd führt. Diesmal war sie pünktlich gewesen. Ob sie lieber draußen sitzen wolle, fragte ich, an diesem sonnigen Herbsttag, so wie praktisch alle anderen Kaffeehausgäste. Sie winkte ab, es sei ihr lieber in dem beinahe leeren Raum. Schönes Hotel. Sind gut, diese Glaswände, sagte sie, kannst du draußen alles sehen, aber herein sieht keiner.
    Soll dich niemand sehen?
    Wie kommst du da drauf?
    Du schaust irgendwie gehetzt aus.
    Du schaust alt und langsam und langweilig aus. Da ist mir gehetzt lieber.
    Ist gefährlich hier, in Linz, oder? Die Zeitungen sind heute wieder voll von dir.
    Das bin nicht ich.
    Ich hielt die Zeitung hoch, die ich während des Wartens durchgeblättert hatte. Ihr Foto auf Seite eins des Lokalteils, relativ klein. Ich faltete das Blatt zusammen, ein paar Mal, hielt ihr Zeitungsbild neben ihr Gesicht, drehte dann die Seite mit dem Bild in ihre Richtung.
    Willst du das abstreiten?
    Die da ist fünf Jahre jünger, sagte sie. Ist ein Kind.
    Sie hatte recht. Die Person auf dem Foto sah aus wie ein Schulmädchen. Die Person in dem Plüschsessel mir gegenüber sah aus wie eine erwachsene Frau. Wie sie die Beine übereinanderschlug und die engen Hosenbeine den eleganten Bogen ihrer Schenkel betonten. Wie sie die Haare in den Nacken warf, den abgewinkelten Arm über den Kopf hob dabei, ihn einen Augenblick länger als notwendig oben ließ, ein Büschel Haare zwischen die Finger nahm und damit spielte.
    Neben ihrem Foto schrieb ein bekannter

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