Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das leere Land

Das leere Land

Titel: Das leere Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kohl
Vom Netzwerk:
da selber –?
    Es sind die Männer.
    Männer? Was heißt Männer?
    Du bist ein Mann. Du musst wissen, was Männer tun.
    Dann drehte sie sich weg, brummte unwirsch, dass ich losfahren sollte. Wohin, fragte ich, zu dir, sagte sie. Ich brauche einen Platz zum Schlafen. Ich lege mich einfach auf den Boden, in deinem Hotelzimmer, das ist kein Problem. Du wirst gar nicht merken, dass ich da war. In der Früh bin ich schon weg, wenn du wach wirst.
    In jede Zelle meines Altmännerkörpers schoss da mit großer Macht etwas ein, das ich endlos lange nicht mehr gefühlt hatte, ein schwaches Flirren von Geilheit und Begehren, und etwas, das stärker war, viel stärker. Angst. Vor dem Versagen, wegen der Zuckerkristalle in den Schwellkörpern meines Gliedes. Und noch viel mehr Angst vor einer Stimme im Hinterkopf, die wie einer von diesen Sprechautomaten an Aussichtspunkten, die dir die Sehenswürdigkeiten erklären, ein paar Sätze herunterleierte. Das gehört sich nicht. Du bist viel zu alt. Du könntest ihr Vater sein. Nein, ihr Großvater. Da muss man sich ja schämen. Was werden die Leute sagen. Es gehört sich nicht.
    Am allerstärksten aber war die Scham. In dem Augenblick, in dem sie angekündigt hatte, bei mir übernachten zu wollen, war der Teenager-Horror in mir hochgekocht, die zitternde Panik, die die Aktion begleitet hatte, nachts Mädchen in das Elternhaus zu schmuggeln. Und meine Entscheidung war in diesem Augenblick gefallen, sie nicht in das Kinderzimmer im Haus meiner Mutter zu bringen. Dafür schämte ich mich, so sehr, dass es in meinen Verspannungen am Nacken und rund um den ganzen Brustkorbpanzer kleine gemeine Schmerzen aufblühen ließ.
    Ich belog das Wasserluchsweibchen mit ihrem schmuddeligen Gazeverband. Dass ich derzeit in einem winzigen Pensionszimmer mit einer schmalen Bettstatt untergebracht sei, log ich ihr vor, während wir durch das nächtliche Eferding fuhren, schon wieder, dass dieses Zimmer so eng sei, dass es nicht ausreichend Platz gebe, um einen Schlafsack neben dem Bett auszubreiten. Und dafür schämte ich mich.
    Ich bot ihr an, im Auto zu übernachten. Sie stimmte zu. Am Parkplatz vor dem Rehabilitationszentrum, das sie vor ein paar Jahren an den Rand des Dorfes meiner Kindheit gebaut haben, nur ein paar Gehminuten entfernt vom Elternhaus, stellte ich den Fox ab. Ich zeigte ihr die mobile WC -Anlage der benachbarten Asphaltstockbahn. Während sie in der grünen Plastikkabine verschwand, klappte ich die hintere Sitzbank nach vorne. Das funktionierte nicht, die Ladefläche war zu klein und uneben für einen schlafenden Menschen. Ich klappte die Bank wieder hoch und stellte die Rücklehnen beider Vordersitze so flach wie möglich. So müsste es gehen. Dann nahm ich alles aus Handschuhfach und Ablagen, das irgendeinen Wert hatte, Zulassungspapiere, beschriebene Notizblöcke, den FM -Transmitter, leere und bespielte Minidiscs, die CDs , steckte es hastig in die Sakkotaschen, bevor sie zurückkam vom Mobilklosett.
    Und schämte mich schon wieder, für mein Misstrauen, schämte mich, schämte mich, die halbe Nacht dann in Mutters Wohnzimmer, als ich vor dem beinahe stummen Fernsehapparat auf der Couch lag und nicht schlafen konnte.

30
    Ich schrieb einen kurzen Einschub über das Phänomen des Arianismus für den Aufsatz. Solches glaubten die Anhänger des Arius, der Mitglied des Ältestenrates von Bischof Alexander in Alexandria war: Der Vater allein ist ungezeugt, ewig, keiner Veränderung unterworfen. Der Sohn ist das Zwischenwesen zwischen Gott und der Welt. Der Sohn ist nicht Gott, bestenfalls nur eine Metapher für Gott. Seinem Wesen nach ist er eine Kreatur, die erste Kreatur des Vaters, von diesem geschaffen, präexistent natürlich, lange vor allem anderen, das wir das Seiende nennen, aber doch geschaffen. Der Sohn ist nicht von gleichem Wesen wie der Vater, er ist gemacht wie der Rest der Schöpfung aus dem Nichts. Der Sohn ist nicht ewig, es gab eine Zeit, in der es ihn nicht gab. Weshalb er und alles, was ihn ausmacht, begrenzt ist und nicht ewig. Allerdings kennt er den Vater besser als der sich selbst. Daher kann er ihn perfekt offenbaren.
    Ich diskutierte eine Weile mit dem Sprecher meiner Auftraggeber über den Stellenwert, den diese erste rigide Ablehnung der Dreifaltigkeit des katholischen Gottes im Aufsatz haben sollte, einen hohen, beharrte ich, schließlich war der Kathole Severinus umgeben von christlichen Germanenstämmen, die alle dem Arius anhingen. Wir kamen auf

Weitere Kostenlose Bücher