Das leere Land
Marmortische drinnen, verweigerte alle Kaffeespezialitäten, die mir der Ober anbot, bat ihn um einen einfachen kleinen Kaffee und Zeitungen.
In dieser Stadt, die nicht mehr als ein verrottetes, beinahe schon aufgegebenes Kastell namens Iuvao gewesen war, hatte der Heilige Mann nur mit der Kraft seines Willens die Kerzen entzündet in der Basilika an einem schönen warmen Sommertag. Die Messdiener hatten kein Feuer zusammengebracht, vergeblich schlugen sie Eisen auf Stein, so lange, dass die Zeit des Abendgottesdienstes beinahe verstrichen war. Da kniete Severinus nieder auf dem harten Boden, eine Kerze in der Hand, und betete inbrünstig, wie immer. Und siehe, auf einmal entflammte die Kerze ohne menschliches Zutun, von Gottes Hand, und der Gottesdienst konnte wie üblich zu Ende geführt werden.
Drei Salzburger Ordensbrüder waren Augenzeugen, Severinus ließ sie schwören, dies Wunder zu verheimlichen. Doch der Ruhm der großen Wundertat konnte nicht verborgen werden, schreibt der brave Eugipp, sondern er entflammte vielmehr die Salzburger auf das Vortrefflichste zu starkem Glauben.
Als Draufgabe erweckte der Heilige dann noch eine Verstorbene zum Leben, zierte sich allerdings eine Weile. Ganz und gar unwürdig für solches Gotteswerk sei er doch, hielt Severinus den Verwandten der Frau entgegen, die bei seinem Eintreffen die Begräbnisvorbereitungen unterbrochen und ihn angefleht hatten, die Entseelte dem Leben zurückzugeben. Warum verlangt ihr von einem Kleinen Großes, klagte der Heilige Mann, dann warf er sich unter Tränenströmen zum Gebete nieder, und sofort richtete sich die Tote auf. Auch hier verlangte er Stillschweigen, auch hier wurde es nicht eingehalten, naturgemäß, ist man versucht zu sagen, hier in Salzburg.
Der Religionssoziologe kam nicht. Nach einer Stunde rief ich den Sprecher meiner Auftraggeber an. Er bat, ein paar Minuten zu warten, dann rief er zurück. Seinem Bekannten sei etwas dazwischengekommen. Er stehe aber zu einem Treffen an einem anderen Tag nach wie vor zur Verfügung. Gut, sagte ich. Nach einer Pause sagte der Sprecher meiner Auftraggeber, dass es möglicherweise ohnehin eine glückliche Fügung gewesen sei, dass der Mann mich versetzt hatte. Die Sache mit den Arianern und Severins guten Kontakten zu ihnen müsse man nicht unbedingt allzu groß spielen. Letzten Endes sei es eine akademische Angelegenheit, einem zu Unterhaltung aufgelegten Publikum nicht wirklich zumutbar.
Er begann zu erzählen von Diskussionen mit seinen Religionslehrern in der Gymnasiumszeit. Eine verworrene und kuriose Geschichte, in der es darum ging, wie frühe christliche Autoritäten ihr ganzes Leben mit der Abarbeitung aus heutiger Sicht obskurer Fragen über das Wesen Jesu zugebracht hätten. Wie sie einander gegenseitig aus der jeweiligen wahren Kirche Gottes ausgeschlossen hatten, weil die einen glaubten, der Gottessohn sei genauso göttlicher Natur wie sein Vater, und als solcher nehme er zwar Nahrung zu sich, aber er uriniere und kote nicht, wogegen die anderen meinten, Jesus pisse und scheiße sehr wohl, weshalb er zwar Gottes Sohn, aber selber kein Gott sein könne, denn ein Gott pisse und scheiße nun einmal nicht.
Ich bezahlte, trat noch einmal auf die Terrasse und schaute in Richtung Regierungssitz. Während des Jobbens für Wiener Zeitungen hatte ich dort mehrmals Landtagssitzungen zu besuchen gehabt. Da setzte ich mich jedes Mal vor den lähmenden Stunden unter den Salzburger Landespolitikern, die die arrogantesten und schnöseligsten Österreichs sind, auf die Tomaselli-Terrasse, stärkte mich mit einem kleinen Bier und starrte in die Richtung des Ortes meiner Qualen für diesen Tag. Genug von Salzburg. Die Zeiten sind vorbei. Ich verließ das Traditionshaus so rasch wie möglich, kämpfte mich zurück durch die Getreidegasse, querte die Salzach und ging zu meinem Auto, das ich in der Linzer Straße geparkt hatte.
Am Abend speicherte ich die Sache ab im Ordner für den Gegenbericht. Im Aufsatz für die länderübergreifende Doppellandesausstellung hatte das Arianerzeug keine Chance. Der Aufsatz hatte der offiziellen Sichtweise zu folgen, die lautet: Der Umstand, dass die arianischen Fürsten Flaccitheus, Feletheus, Gibuld, Ferderuch, Odoaker so vertrauten Umgang mit Severinus pflegten, war der wundersamen Strahlkraft Gottes zuzuschreiben, die im Heiligen Mann wirkte und die die häretischen mächtigen Barbaren zittern machte vor dem Mönchlein. In den Gegenbericht schrieb ich eine
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