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Das leere Land

Das leere Land

Titel: Das leere Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kohl
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Giso! Geschwind sandte sie Reiter zu Severinus, zerknirschte sich, bat um Vergebung, versprach Besserung. Zugleich gab sie sowohl den verschleppten romanischen Sklaven als auch den Goldschmieden die Freiheit, die ihrerseits ließen den kleinen Fredericus laufen.
    Noch fürchteten offensichtlich die Barbaren Rom. Noch konnte sie der Heilige Mann allein mit der Kraft seiner donnernden Worte in Zaum halten. Nur so lässt sich diese Goldschmied-Geschichte verstehen, aus der im Laufe der Zeit, angereichert um antike Motive, die germanische Wieland-Sage erwuchs, wie ja oft Geschichten aus angereicherten, also verfälschten Geschichten keimen und aus diesen neuen Erzählungen weitere Narrationen entspringen nach demselben Verfahren, um den Helden würdige Gegner zu verschaffen und den Verhältnissen ihre Ordnung zu geben in Raum und Zeit. Stellt sich nur die Frage, inwiefern es sich bei der Schmiede-Mär um ein Wunder handelte. Eugipp druckst herum, es sei ein Beweis für die Allmacht des Erlösers, ein Beleg dafür, dass die Gebete des Severinus nicht nur die entführten Romanen, sondern auch die gleichfalls versklavten barbarischen Schmiede befreit hätten. So leicht ist manchmal die Arbeit von Hagiografen.
    Die Läuterung brachte der bösen Giso und den Ihren übrigens kein anhaltendes Glück. 487, als der Untergang des Reiches der Rugier und sein spurloses Verschwinden im Orkus der Geschichte begann, ließ der große Odoaker sie und ihren Gemahl Fewa in Ravenna hinrichten. Fewas und Gisos Sohn Fredericus, der als der letzte König von Rugiland gilt, gelang es, Odoakers Häschern zu entkommen. Ein Jahr später kehrte er zurück ins niederösterreichische Weinviertel, wohl um zu versuchen, seine Herrschaft zurückzugewinnen. Was gründlich schiefging, mit Mühe gelang dem Fredericus die Flucht vor Odoakers Bruder Hunuwulf und dessen Kriegern. Gisos und Fewas Söhnchen fand schließlich Asyl in Bulgarien, in der Stadt Novae, bei der es sich um das heutige Swischtow handelt, am damaligen Aufenthaltsort seines ostgotischen Verwandten Theoderich. Das geschah in jenem Jahr, als die Romanen Noricum ripense verließen, danach verschwand Fredericus wie sein Volk von der Bildfläche.
    Reihenweise befreite Severinus in den Jahren, bevor die Welt endgültig zerbrach, verschleppte Geiseln, kraft göttlicher Offenbarung; er ließ Kerzen sich von alleine entzünden, er vermehrte das Öl in Lorch wie es der Sohn des Herrn einst mit Brot und Fischen getan hatte bei der Stadt Betsaida oder auf einem einsamen Berg nahe dem See von Tiberias, da widersprechen die Evangelisten einander. Severinus prophezeite unermüdlich die Kette von kleinen Niederlagen, die die Germanen der Nordprovinz des römischen Imperiums zufügten.
    Die Bürger von Tiburnia, der spätantiken Hauptstadt von Binnennoricum, die im Lurnfeld am Holzer Berg in Kärnten lag, vier Kilometer westlich von Spittal an der Drau, hatten den Leidensgenossen in Ufernoricum Kleiderlieferungen angekündigt. Zu diesen kam es nicht, da eine Schar von Goten, die der einst reichen und mächtigen und nun arg heruntergekommenen Stadt zusetzte, nur durch die Übergabe eben dieser vor dem beginnenden Winter dringend gebrauchten Kleidervorräte zu einem Waffenstillstandsvertrag zu bewegen war. Wer hatte das vorausgesagt im fernen Mautern? Severinus natürlich, wer sonst.
    Und wer sonst hätte es bewerkstelligen sollen, dass Gott die geizigen und egoistischen Bewohner von Lauriacum, die um keinen Preis den Zehnten für die Armen abzuliefern bereit waren, bestrafte mit Getreiderost, der ihre Saat befiel, von der sie sich nicht und nicht trennen wollten? Wer sonst hätte dafür sorgen können, dass der Getreiderost seltsamerweise keinerlei Schaden angerichtet hatte, nachdem die Körndlbauern aus der Gegend des oberösterreichischen Lorch und Enns im niederösterreichischen Mautern zu Kreuze gekrochen waren und sich selbst verdammt hatten wegen ihrer Verstocktheit? Der Streiter Christi natürlich, dem man kurz zuvor angeboten hatte, Bischof von Noricum zu werden. Dazumal wäre die Ausübung dieses Amtes auch einem Laien erlaubt gewesen. Severinus hatte abgelehnt. Es sei für ihn genug, beraubt der erhofften Einsamkeit in ägyptischen Einsiedeleien, auf Geheiß Gottes in dieser kalten Provinz unter den dichten Scharen der Bedrücker leben zu müssen.
    Für den Aufsatz verknüpfte ich die Wunder mit den Orten, an denen sie geschehen sein sollen, recht elegant machen Sie das, schrieb der Sprecher

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