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Das leere Land

Das leere Land

Titel: Das leere Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Kohl
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meiner Auftraggeber in eine SMS , als die Zahl der Proben wuchs, die ich ihm mailte. Irgendwelcher Kommentare enthielt ich mich meistens. Ich pries die touristische Anziehungskraft von Eugipps Orten der Handlung, malte die dezente Großartigkeit des Römermuseum-Areals zu Favianis mit knappen Sätzen aus, informierte die künftigen Besucher der Doppelausstellung über die vielfältigen Möglichkeiten für Radler, Wanderer und Nordic Walker in den rauen Wäldern rund um Ioviaco und auf den sanften Wiesen und breiten Austreifen bei Quintanis, ich lobte die klare Strenge der Informationsvermittlung in Lauriacum. Ich schilderte mit augenzwinkernder Ironie Fauna und Flora, die sich finden lässt in den Weinbergen nördlich von Krems, wo die Rugier gehaust hatten, oder bei ziellosem Schweifen abseits der Wege auf der Suche nach dem Flüsschen Businca.
    Im Gegenbericht versuchte ich die diversen Kerzenentzündungsmirakel und Prophezeiungsexzesse und Totenerweckungen des Heiligen Mannes zu zerklopfen, bis ihr lügnerischer Kern bloß lag. Mit anfänglicher Wut schrieb ich in die Word-Dateien und Notizhefte meine Mutmaßungen über die tatsächlichen Bedeutungen all dieser Wundertuerei. Meine Wut veränderte sich im Laufe der Wochen, sie galt immer weniger den Schwindeleien und Verdrehungen des Eugipp, sondern dem Umstand, dass mich mein aufklärerisches und dekonstruktivistisches Getue mit den Gegenberichten zu langweilen begann.
    Wunder begannen mir auf die Nerven zu gehen. Wunder, das ist nicht mehr als das Wort in der Titelzeile jener Nachrichtenmeldungen, die fünf oder acht Tage nach einem Erdbeben oder Wirbelsturm berichten vom überraschenden und nicht mehr erwarteten Auffinden von Überlebenden. Mit zunehmender Häufigkeit dachte ich an die zwei wichtigsten Wörter, die das lateinische Imperium der Nachwelt hinterlassen hat. Cui bono. Wem nützt es. Niemandem, war meine Antwort.
    Manchmal schlichen sich in den Aufsatz Formulierungen ein wie jene von meiner Interpretation des kerygmatischen Aspekts der obskuren Lazarus-Episode von Künzing als den einer PR -Absicht des Eugipp. Dann klingelte gleich das Handy, und der Sprecher meiner Auftraggeber erläuterte mit milder Vorsicht und Höflichkeit die Notwendigkeit der Streichung solcher Sätze.
    Niemand weiß etwas anzufangen mit Kerygma, sagte er.
    Sie haben es gegoogelt?, fragte ich.
    Kerygma, sagte er. Die Verkündung der Heilslehre an einen in die Glaubensgemeinschaft erst Aufzunehmenden vor der Taufe.
    Was den Charakter von Marketing und Werbung und PR -Arbeit für die Lehre hat, sagte ich. Im Gegensatz zur Didache, wo zuerst getauft und dann belehrt wird.
    Da ist jetzt die katholische Knabeninternatszeit mit Ihnen durchgegangen, sagte er. Das ist viel zu ransmayrisch, viel zu sehr Letzte Welt .
    Dass ich mit postmodernen Mythenspielereien nichts am Hut hätte, sagte ich, und dass mir immer schon die Leute auf die Nerven gegangen seien, die alle immer nur Ovids ersten Satz zitieren, aurea prima sata est, aber frag so einen einmal nach dem letzten Satz! Und mit Ovids Metamorphoseon libri hätte ich auch nichts am Hut.
    Zu Metamorphosis fällt mir nur die Beat-Club-Sendung von Radio Bremen von 1971 ein, als der Sänger von Iron Butterfly eine Zeit lang in das eine Ende eines Schlauches gesungen hatte, dessen anderes Ende über das Mikrofon gestülpt war. Und die Nacht mit ihrem genialen Gitarristen Eric Braun in dem heruntergekommenen Nachtklub an der Autobahn zwischen Salzburg und Linz, wo sie spielten vor vielleicht hundert Leuten. In A Gadda Da Vida in einer ganz großartigen Version. Anschließend betrank sich Eric mit den paar Fans, die geblieben waren, unter diesen auch ich. Nach genügend Bier begann er zu schimpfen über das Management, ich bekam nicht genau mit, was er meinte, allem Anschein nach besaßen zwei Agenturen die Rechte an dem Namen Iron Butterfly, und eine Agentur schickte eine Hälfte der Band auf Tour und die andere die andere. Lee Dorman habe die bessere Seite erwischt, er, Eric, gehöre zu der Hälfte mit dem käsigen Management, sagte er, cheesy, ein Wort, das ich außer bei Zappa noch nie gehört hatte, und müsse nun durch billige Drecksclubs ziehen wie diesem. Dann betrank er sich, bis er auf den grindigen Plüschgarnituren einschlief.
    Schreiben Sie meinetwegen ein wenig Religionstheorie in den Aufsatz hinein, sagte der Sprecher meiner Auftraggeber, aber nicht zu viel. Es ist ein gefährliches Gebiet, in das Sie sich da begeben. Da werden

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