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Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen

Titel: Das Letzte Einhorn und Zwei Herzen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter S. Beagle
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auf sie herab und schien sehr mit sich zufrieden.
    Molly sagte: »Lass sie, wie sie ist. Lass sie.«
    »Das musst du Lír sagen«, erwiderte er vergnügt. »Hab ich gesagt, Ordnung sei alles? Hab ich gesagt, sie müsse den Roten Stier zum Kampf herausfordern, weil es so Vorschrift ist? Mir liegt nichts an geregelten Rettungen und amtlich-glücklichem Ende. Das ist Lír!«
    »Aber du hast ihn dazu gebracht«, sagte sie. »Du weißt, alles, was er auf der Welt will, ist, dass sie ihre Suche aufgibt und bei ihm bleibt. Und das hätte er auch getan, wenn du ihn nicht daran erinnert hättest, dass er ein Held ist; jetzt muss er tun, was alle Helden tun. Er liebt sie, und du hast ihn reingelegt.«
    »Nie!«, antwortete Schmendrick. »Sei still, sonst hört er dich.« Molly fühlte, wie ihr zunehmend schwindlig wurde, so benommen machte sie die Nähe des Stieres. Licht und Gestank flossen zusammen zu einem klebrigen Meer, in dem sie nun wie die Einhörner dümpelte, ohne Hoffnung und ewig. Der Weg senkte sich dem heller werdenden Licht zu. Da vorne schritten Prinz Lír und die Lady Amalthea ihrem Verhängnis entgegen, so ruhig wie herabbrennende Kerzen. Molly Grue kicherte.
    »Ich weiß auch, warum du’s getan hast. Du kannst selbst nicht sterblich werden, bevor du sie wieder in ein Einhorn verwandelt hast. Dir ist es egal, was aus ihr wird, oder aus den anderen, wenn du nur endlich ein richtiger Zauberer wirst. Ist es nicht so? Aber du wirst nie ein richtiger Zauberer sein, selbst wenn du diesen Ochsen in einen Ochsenfrosch verwandelst! Denn wenn du das tust, dann ist es nur ein Trick, und nichts weiter. Dich interessiert doch nichts als deine Magie, und was für ein Magier wäre das! Schmendrick, mir ist so schlecht. Ich muss mich ein wenig setzen.«
    Schmendrick musste sie eine Weile getragen haben, denn sie war bestimmt nicht auf ihren Beinen, und seine grünen Augen kreisten wie feurige Räder in ihrem Kopf. »Ganz recht! Nur Magie bedeutet mir was. Ich würde die Einhörner persönlich für König Haggard zusammentreiben, wenn das meine Zauberkraft auch nur um ein halbes Haar erhöhte. Da kannst du Gift drauf nehmen. Ich kenne keine Verpflichtungen und keine Treue. Ich kenne nur meine Magie!« Seine Stimme klang traurig und hart.
    »Wirklich?«, fragte sie, wiegte sich in ihrem Entsetzen träumerisch hin und her, beobachtete die vorüberflutende Helle. »Das ist ja schrecklich!« Sie war sehr beeindruckt. »Bist du wirklich so?«
    »Nein«, antwortete er, dann oder etwas später. »Nein, es ist nicht wahr. Wie könnte ich so sein und dennoch die ganze Zeit in diesen Schwierigkeiten stecken?« Dann sagte er: »Molly, du musst jetzt selbst gehen. Er ist da. Er ist da.«
    Molly sah zuerst die Hörner. Das grelle Licht zwang sie, ihr Gesicht zu bedecken, doch die fahlen Hörner bohrten sich unerbittlich durch Hände und Augenlider, bis tief in ihr Gehirn hinein. Sie sah Prinz Lír und die Lady Amalthea vor diesen Hörnern stehen, und das Feuer flackerte die Höhlenwände hinauf, loderte empor in die deckenlose Dunkelheit. Prinz Lír zog sein Schwert, doch es flammte auf, und er ließ es fallen; es brach wie ein Stück Eis. Der Rote Stier stampfte auf, und alle fielen zu Boden.
    Schmendrick hatte erwartet, dass der Stier in seiner Höhle auf sie lauerte, oder an einer Stelle, die breit genug für einen Kampf wäre. Doch lautlos war er den Gang heraufgekommen, um sich ihnen zu stellen. Jetzt stand er ihnen quer gegenüber; er reichte nicht nur von einer flammenden Wand bis zur anderen, er ragte in diese Wände hinein und über sie hinaus. Und es war kein Wahngebilde, sondern ein dampfender, schnaubender Stier, der sein blindes Haupt schüttelte. Seine Kiefer zermalmten knirschend und krachend seinen Atem.
    Jetzt, jetzt ist die Zeit gekommen, da ich Heil oder Unheil bewirken werde. Die Entscheidung ist da. Langsam erhob sich der Zauberer, schenkte dem Stier keine Beachtung, lauschte nur seinem umschlossenen Ich, als wäre es eine Muschel. Die Macht rührte und regte sich nicht. Nichts konnte er hören als ein fernes, dünnes, leeres Rauschen in seinem Ohr. So wie es Haggard wohl im Schlafen und im Wachen vernehmen musste, und nie einen anderen Laut. Sie wird nicht zu mir kommen. Nikos hat sich geirrt. Ich bin, was ich scheine.
    Die Lady Amalthea wich einen einzigen Schritt vor dem Roten Stier zurück, betrachtete ihn gelassen, wie er mit den Vorderfüßen stampfte und scharrte, wie er aus seinen ungeheuren Nüstern

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