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Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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Säule fest.
    »Alles klar?«, frage ich ihn besorgt.
    »Ich kann nicht schwimmen«, presst er hervor und sieht sich unruhig in der Zisterne um, die aussieht wie eine venezianische Kathedrale bei Acqua Alta …
    Ich besinne mich.
    »Aber ich kann schwimmen.« Mit den Zehenspitzen taste ich nach der Säulenbasis, um mich darauf abzustützen, während ich meine türkische Rüstung ablege. Durch das bewegte Wasser blickt der umgedrehte Kopf einer Medusa zu mir herauf. Die griechische Mythengestalt konnte mit ihrem Blick Menschen in Stein verwandeln.
    Es ist nicht leicht, alle Lederschnallen der Rüstung im Wasser zu öffnen und mir das schwere Kettenhemd über die Schulter zu hängen, während ich auf dem vorgereckten Kinn der Medusa balanciere. Mit dem Schwertgurt schnalle ich das Kettenhemd an der Säule fest, damit es nicht in der Tiefe versinkt. Den Helm befestige ich obendrauf. Mit einem metallischen Ratschen sinkt er langsam an der Säule nach unten, bis der Kopf der Medusa ihn aufhält.
    »Und jetzt du, Galcerán! Stell dich auf den Kopf der Medusa und halt dich an der Säule fest!«
    Mit zitternden Händen nestele ich an Galceráns Rüstung herum, die sehr viel schwieriger abzulegen ist als das Kettenhemd eines Yeniçeri. Zuerst die Pauldrons, die mit Lederschnallen befestigten Schulterpanzer, danach das Corselet, die Brustplatte aus Stahl mit dem Zackenkreuz des Johanniterordens über dem Herzen, anschließend die Rückenplatte. Das Wasser um ihn herum färbt sich schon blutrot, als ich ihn endlich aus seiner Rüstung herausgeschält habe. Auch das wattierte Gambeson, das er darunter trägt, und die zusammengeschnallten Stahlpanzer befestige ich an der Säule der Medusa.
    Seine Zähne klappern. Dann lege ich meinen Arm um ihn und ziehe ihn, der nur noch mit der Cotte und den engen Hosen bekleidet ist, hinter mir her durch das Wasser in die Finsternis der Zisterne.
    Fische flitzen durch das Wasser. Ich glaube, es sind Karpfen. Aber so genau kann ich das nicht sehen, weil es immer dunkler wird, je weiter wir uns vom Einsturz entfernen.
    Das Ende der Zisterne kann ich nicht erkennen, weil die Säulenreihen hinter mir in die absolute Finsternis führen. Wie unheimlich!, denke ich schaudernd, und mir fällt das Labyrinth unter dem Tempelberg in Jerusalem ein, wo ich nach der Bundeslade gesucht habe.
    Rückwärts schwimmend ziehe ich Galcerán hinter mir her. Plötzlich dringt ein Ruf in die Finsternis.
    »Galcerán?«, flüstere ich.
    Er antwortet nicht. Ist er im eiskalten Wasser ohnmächtig geworden?
    »Galcerán!«
    Wieder nichts.
    Das Echo der türkischen Befehle hallt durch die unterirdische Zisterne und bricht sich an den Säulen und der gewölbten Decke.
    Etwa hundert Schritte entfernt rutscht ein Türke die Trümmerhalde herunter und blickt sich in der Zisterne um.
    Mit Galcerán im Arm verhalte ich mich ganz still, um keine Geräusche und keine Wellen zu verursachen, die uns verraten könnten.
    Atemlos spähe ich zwischen den Säulen hindurch und beobachte den Türken, der sein Kilij in die Scheide zurückschiebt und neugierig den umgedrehten Medusenkopf unter der Wasseroberfläche betrachtet.
    Und wenn er die festgeschnallten Rüstungen bemerkt? Oder die Wellen, die gegen die Säulen plätschern?
    Eine Taube flattert durch den klaffenden Durchbruch und dreht eine weite Runde durch die Zisterne. Ihr knatternder Flügelschlag hallt über das Wasser.
    Ich seufze erleichtert auf. Die Taube lenkt den Türken ab.
    Zwar kann ich Tauben ebenso wenig ausstehen wie Fledermäuse oder Ratten, aber diesmal bin ich ihr richtig dankbar!
    Doch dann beobachte ich, wie ein zweiter Türke über das Geröll herunterrutscht. Auch er sieht sich mit schräg gestelltem Kopf das Medusenhaupt an. Dann entdeckt er das Boot, das etliche Ellen weiter auf dem Wasser schaukelt.
    Der zweite Türke, offenbar ein Offizier, deutet darauf und redet auf den ersten ein. Der nickt, fuchtelt in meine Richtung und antwortet. Nach kurzem Palaver verschwinden die beiden wieder nach oben.
    Wahrscheinlich werden sie denken: Das Boot ist noch da, also sind Galcerán und ich nicht hier.
    Und falls die beiden die Tasche bemerkt haben sollten, haben sie sie wahrscheinlich für die Ausrüstung des Fischers gehalten, der hier unten Karpfen angelt.
    Ich atme auf und schwimme tiefer in die Finsternis hinein. Galcerán ziehe ich wieder hinter mir her.
    Die Plattform am Ende der Zisterne bemerke ich erst, als ich mit der Schulter

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