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Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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den Krypten der Abteikirche
21. Dezember 1453
Gegen elf Uhr nachts
    Ich hätte schwören können, dass ich hinter mir ein Geräusch gehört habe. Ein leises Schlurfen, wie von einem Lederstiefel, der über das unebene Felsgestein des Ganges schleift. Ich horche atemlos und warte darauf, dass sich jemand auf mich stürzt, aber nichts geschieht.
    Die Schritte entfernen sich. Geht der Yeniçeri zurück zur Krypta, wo Galcerán aufgebahrt liegt? Was will er dort?
    Plötzlich ahne ich es.
    Fluchend ziehe ich mich noch weiter in die Finsternis zurück.
    Er hat sich eine Kerze vom Altar geholt und leuchtet in die Gänge. Er will mich in die Enge treiben.
    Leise ziehe ich mein Schwert und zucke erschrocken zusammen, als die Klinge in der Dunkelheit gegen den Felsen prallt und zu schwingen beginnt. Sofort lege ich meine Finger auf den sirrenden Stahl, der bei der Berührung verstummt.
    Der Yeniçeri ist stehen geblieben. Der Kerzenschein verrät mir, wo er ist. »Contessa Alessandra? Kommt jetzt! Der Padi ş ah wartet auf Euch. Alles ist für Euren Empfang vorbereitet.«
    Va all’inferno! Und nimm Mehmed gleich mit!
    »Ein großartiges Spektakel, glaubt mir. Eure Hinrichtung wird vor der Ayasofya, der Hagia Sophia, stattfinden. Wusstet Ihr, dass die größte Kathedrale der Welt jetzt eine Moschee ist?«
    Er kommt immer näher. Das flackernde Licht dringt schon in die Felsnische, in der ich mich verberge.
    »In der Apostelkirche werdet Ihr neben Eurem Schwager, Kaiser Konstantin, beigesetzt werden. Mit allen Titeln, die der Papst Euch verliehen hat. Nur eben ohne Kopf.«
    Ich muss verschwinden.
    Leise weiche ich in die Dunkelheit zurück. Das hallende Echo meiner Schritte auf dem unebenen Felsboden verrät mir, dass ich eine Krypta betrete. Ich wage mich hinein.
    Ein leises Kratzen.
    War ich das?, denke ich panisch. Ich habe nichts berührt!
    Beunruhigt frage ich mich: Wo ist der andere? Lauert er mir in den Schatten dieser Krypta auf?
    Ich lausche auf ein Rascheln, ein Klirren, ein Atmen. Aber ich höre nichts als das Rauschen des Blutes in meinen Ohren.
    Der Kerzenschein, der auf dem unebenen Boden reflektiert und die nach feuchtem Staub riechende Kapelle in ein diffuses Dämmerlicht taucht, wird immer heller. An der Wand gegenüber erkenne ich ein Fresko mit der Grablegung und der Auferstehung Christi. Hastig sehe ich mich nach einem Fluchtweg um. Es gibt keinen. Nach einem Versteck: nur ein Altar, hinter dem ich mich verbergen könnte.
    Niemals, Sandra! So stirbst du nicht! Nicht du!
    Zum Kampf bereit, hebe ich mein Schwert über den Kopf, spanne meine Schultern an, suche mir einen sicheren Stand auf dem rutschigen Boden und warte auf ihn. Ich habe einen kleinen Vorteil. Er hat die Kerze in der Hand, die er erst auf den Boden legen muss, bevor er sich mit erhobener Klinge auf mich stürzen kann.
    Ich mache einen tiefen Atemzug und schlucke trocken.
    Da kommt er!
    Meine schweißnassen Hände verkrampfen sich um den Griff des Schwertes.
    Plötzlich kann ich Schritte hören, die rasch näher kommen. Der Yeniçeri bleibt stehen und dreht sich um. Sein Schatten huscht über den Boden der Krypta.
    Ein erstickter Schrei, ein Scheppern, als ob sein Kilij zu Boden poltert, ein dumpfer Aufprall.
    Die Kerze verlischt. Es wird dunkel um mich.
    Ich lausche mit angehaltenem Atem.
    Ein Rascheln. Ein Kratzen. Dann glimmt knisternd ein Funke im Zunder auf, der den Docht der Altarkerze wieder entzündet. Das Licht drängt die Finsternis zurück in die Nischen und hinter den Altar.
    Wie gebannt starre ich zum Eingang der Krypta. Ein Mann taucht auf. Seine blauen Augen funkeln im Licht der Kerze. Sein blondes Haar und sein Bart sind nass vom Schnee.
    Er lebt!
    »Euer Gnaden?«, spricht er mich an.
    Erschöpft lasse ich mein Schwert sinken. Die Spitze prallt gegen den Felsboden der Krypta und bringt die Klinge zum Schwingen. Ich kann es bis in die Schulter spüren. »Ich bin hier!«, murmele ich und sinke müde auf die Knie.
    Mit wenigen Schritten ist er neben mir, hockt sich neben mich und umarmt mich ungestüm. »Euer Gnaden! Ich danke Gott, Ihr lebt!«
    »Und du!« Eine Woge der Erleichterung reißt mich fast von den Füßen. Ich lehne mich gegen seine Schulter und breche in Tränen aus. »Federico! Wie froh ich bin, dass du mich gefunden hast!«

Kapitel 39
    In den Krypten der Abteikirche
21. Dezember 1453
Kurz nach elf Uhr nachts
    »Das kann ich mir vorstellen!« Tannhäuser grinst frech und überspielt damit seine Gefühle. Er muss

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