Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
Vom Netzwerk:
steilen Abhang hinunterrumpelten, saß Mehmed inmitten seines Gefolges auf seinem Hengst und blickte zu uns herüber.
    »Sie haben die Sperrkette über das Goldene Horn umgangen«, murmelte Konstantin neben mir mit tonloser Stimme, die der erste Kanonendonner übertönte. »Wie viele sind es?«
    Im ersten Tageslicht nahmen die Türken den Dauerbeschuss auf unsere Mauern wieder auf. Die türkischen Kanonen am Romanos-Tor wurden wieder abgefeuert, und der Boden unter uns erbebte unter den wuchtigen Einschlägen in der Stadt. Die Kirchenglocken begannen wieder zu läuten.
    Kardinal Isidor raffte seine Purpursoutane, fiel auf die Knie, bekreuzigte sich und begann murmelnd zu beten.
    Ich wandte mich um zu Federico Tannhäuser, der wenige Schritte hinter mir stand. Widerwillig musste ich Mehmed Respekt zollen: Die nächtliche Verlegung der türkischen Flotte vom Bosporus ins Goldene Horn war eine strategische Meisterleistung, hervorragend geplant und ausgeführt. Federico zog sein Schwert und schärfte es mit bedächtigen, aber entschlossenen Bewegungen. Ich nickte ihm zu. Mehmeds Flotte musste vernichtet werden, gesprengt und verbrannt.
    Der Megadux trat näher und verneigte sich vor dem Basileus. »Es müssen wohl siebzig Schiffe sein, Euer Majestät.«
    Von der Wehrmauer unter uns ertönten die ersten entsetzten Schreie der Wachsoldaten, die wie wir vom sonntäglichen Morgengottesdienst zurückkamen. Mit ausgestreckten Armen deuteten sie auf die türkischen Segler, die über das Goldene Horn gemächlich auf uns zu glitten.
    »Wenn sie uns vom Hafen aus beschießen, wird Konstantinopolis fallen. Die Seemauern können dem Beschuss nicht standhalten«, prophezeite Konstantin düster. »Wir sind verloren.«
    »Der Papst muss endlich eine Flotte venezianischer Galeeren schicken, die die Türken das Fürchten lehrt.« Der Megadux sah mich eindringlich an. Meinen Blickkontakt mit Federico hatte er offenbar bemerkt.
    »Ich bin nicht der Papst«, wies ich Lukas Notaras resolut zurecht. »Ich bin nur seine Stellvertreterin.«
    »Schade«, murmelte der Megadux trocken und warf Kardinal Isidor, dem päpstlichen Gesandten, der auf Knien neben uns ins Gebet versunken war, einen abschätzigen Seitenblick zu. »Wirklich schade.«
    Blicklos starre ich auf die Silberstiftskizze der Schiffe, noch ganz gefangen in meiner Erinnerung. Irgendetwas macht mich stutzig, aber was? Ich sehe mir die Zeichnung genauer an.
    Ja, das ist es: Die Perspektive stimmt nicht.
    Auf der Skizze ist im Vordergrund der Turm des Kaiserpalastes zu sehen, auf dem ich stand. Seltsam.
    Aber was noch merkwürdiger ist: Der Turm ragt neben einer Kirche auf, die mit einem roten Kreuz markiert ist.
    Ein Kreuz?, frage ich mich verwirrt.
    Ich nehme die Füße von der Reisetruhe, öffne den Deckel und ziehe die Karte von Konstantinopolis hervor, die ich gestern entdeckt habe. Ich entrolle das zerknickte Pergament und betrachte den Stadtplan, auf dem das Meer, die Berge und die Wehrmauern aus der Perspektive eines fliegenden Vogels zu sehen sind. Da ist die Kuppel der Hagia Sophia, dort das Hippodrom und hier der Blachernen-Palast mit dem Turm, auf dem ich mit Konstantin und den anderen stand, um die Prozession der Schiffe zu beobachten.
    Interessant! Es gibt zwei purpurrote Tintenkreuze. Das eine markiert dieselbe Kapelle in unmittelbarer Nähe des Wehrturms des Blachernen-Palastes, das andere eine Kapelle in einem anderen Turm auf der gegenüberliegenden Seite der Stadt. Gehört er zum kaiserlichen Bukoleon-Palast?
    Welchen Sinn haben die beiden roten Kreuze? Wer hat sie mit kaiserlicher Purpurtinte gezeichnet? Konstantin? Oder ich? Markieren sie das Versteck eines Schatzes, der vor der Plünderung durch die Türken gerettet werden sollte? Das Mandylion!, schießt es mir durch den Kopf, und ich erschauere. Aber wieso zwei Kreuze, die zwei Kapellen in zwei Kaiserpalästen markieren?
    Verwirrt lege ich den Stadtplan auf den geschlossenen Truhendeckel und betrachte wieder mein Notizbuch mit der Skizze der Prozession der Schiffe.
    Nein, die Perspektive stimmt nicht.
    Wer diese Zeichnung gemacht hat, stand weit entfernt, auf der anderen Seite der Stadt. Auf dem Turm der Apostelkirche. Oder auf der Tribüne in der südlichen Kehre des Hippodroms. Oder noch weiter entfernt, auf einer der angebauten Kapellen der Hagia Sophia, die, auf einem Hügel erbaut, die Stadt überragt.
    Wieso sollte ich dorthin gehen, um diese Skizze anzufertigen, wenn ich vom Turm des Blachernen-Palastes

Weitere Kostenlose Bücher