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Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das letzte Evangelium: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Barbara Goldstein
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frage ich mich, während Prospero weiterspricht:
    »In diesem Sinne ist das Mandylion, das vor den vier Evangelien entstanden ist, das erste Evangelium – nicht das letzte, als das Tommaso es bezeichnet. Es ist eine Reliquie aus der Zeit vor der Passion. Jesu Augen auf dem Mandylion sind offen, wie bei einem Lebenden. Auf dem Grabtuch sind sie geschlossen, wie bei einem Toten.«
    »Wie kam das Tuch von Jerusalem nach Konstantinopolis?«
    »Es heißt, einer der Jünger Jesu brachte das Acheiropoieton, ein nicht von Menschenhand gemachtes Abbild Christi, nach der Kreuzigung nach Edessa, wo das Tuch jahrhundertelang aufbewahrt wurde. Als mächtiges Palladion des Reiches gegen die Feinde der Christenheit, als göttlicher Schutz gegen Kriege und Katastrophen. Seit 525 war das Mandylion in der Hagia Sophia von Edessa. Von Wasser umgeben, mit herrlichen Ornamenten aus Mosaik geschmückt und von einer Kuppel bekrönt, muss diese gewaltige Kathedrale, die die Perser als Weltwunder bezeichneten, so erhaben gewesen sein wie die Hagia Sophia in Konstantinopolis. Vom Chor der Kathedrale aus führten neun Stufen, die die neun Engelschöre symbolisierten, zu einem altarähnlichen Thron, der den himmlischen Thron Christi darstellte. Der größte Schatz der Kathedrale, das allerheiligste Mandylion, wurde in einem Sanktuarium neben der Apsis verwahrt. Nur zwei Mal im Jahr wurde das Mandylion aus seinem Schrein geholt, in einer feierlichen Prozession mit Kerzen, Fächern und Weihrauchgefäßen umhergetragen und auf dem Thron Christi im Chor ausgestellt. Doch trotz dieser aufwändigen Zeremonie war es keinem Gläubigen erlaubt, das göttliche Abbild Christi zu betrachten. Nur der Erzbischof durfte den Schrein öffnen, die allerheiligste Reliquie mit einem Schwamm berühren, um mit dem geweihten Wasser die Gemeinde zu besprengen und zu segnen.«
    »Die vollkommene Gottesfurcht.«
    »Du sagst es. Die Syrer setzten diese Kathedrale von Edessa und ihr Mysterium, das verborgene Mandylion, dem Jerusalemer Tempel mit der Bundeslade gleich. Denn der einzige Bilderschmuck in der Kathedrale von Edessa waren goldene Statuen von Cherubim – wie in König Salomos Tempel, wo die Cherubim die Bundeslade bewachten. Erinnerst du dich, wie du in Jerusalem den Gottesschrein gefunden hast?«
    » Ich habe die Bundeslade gefunden?«, staune ich.
    »Yared und du. Vor acht Jahren. Im Labyrinth des Tempelbergs.«
    Erstaunt sehe ich ihn an.
    »Was ist?« Er schüttelt den Kopf. »Du bist Schatzsucherin, Sandra. Das Evangelium des vergessenen Papstes aus Alexandria, der Gottesschrein in Jerusalem, das Grab des Teufelspapstes mit dem Ring des Salomo in Rom, das Siegel des Imhotep in der Pyramide von Sakkara … Und jetzt das Mandylion aus Byzanz. Du findest immer, wonach du suchst.«
    »Dann besteht ja noch Hoffnung«, sage ich matt.
    Er lächelt.
    »Gibt es auch Schätze, die ich noch nicht gefunden habe?«
    »Die verschollene Bibliothek von Alexandria. Seit Jahren willst du nach Timbuktu reisen, um sie dort zu suchen. Das Grab Alexanders des Großen. Die Münzen des Judas. Das Vermächtnis von Jacques de Molay, dem letzten Templer.
    Mysteriöse Schätze, die seit Jahrhunderten verloren sind, und uralte Pergamentcodices und antike Papyrusrollen lösen bei dir sofort Anfälle von Schatzsucherfieber aus. Tommaso … Papst Nikolaus … nennt es dein ›unheilbares Leiden‹. Je mehr Staub du aufwirbeln musst, um ein Geheimnis zu erforschen oder um eine besondere Entdeckung zu machen, desto größer der Nervenkitzel und der Spaß, sagst du immer, bevor du dich in eines deiner Abenteuer stürzt, um vergessene Dachkammern und zugemauerte Kellergewölbe voller Spinnweben und Staub, verschlossene Türen in Klosterbibliotheken, geheime Gänge und verborgene Treppen zu erforschen – jedes Mysterium zieht dich unwiderstehlich an! Wenn dein Schatzsucherfieber dich packt, kann dich nichts und niemand mehr aufhalten.«
    »Du scheinst recht zu haben«, sage ich leise und denke dabei an Diniz, Galcerán und Jibril in der blutüberströmten Kapelle des Kaiserpalastes. Und an Cesare, meinen Mann, den ich erst wenige Stunden vorher geheiratet habe und der einer Schatzsuche und dem damit verbundenen Kampf auf Leben und Tod zum Opfer fiel.
    Ich sehe Prospero in die Augen, die so blau sind wie meine.
    Wer bist du? Wieso tauchst du ausgerechnet in dem Augenblick auf, als Jibril spurlos verschwindet? Welches Spiel spielst du? Und welchen Spielzug machst du als Nächstes?
    »Was

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