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Das letzte Hemd

Das letzte Hemd

Titel: Das letzte Hemd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Puettjer , Volker Bleeck
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Range Rovern,
Freelandern und anderen geländegängigen Mittelklassewagen, für die der Kies auf
dem Parkplatz meist schon die schwerste Form der Off-Road-Prüfung darstellte,
standen zwei schwarze qualmende Stahlgerippe, die noch entfernt an Autos
erinnerten. Becker steuerte seinen alten Audi etwas missmutig in eine
Parklücke; nicht mal frühstücken hatte er zu Hause mehr können.
    Die Kollegen von der Spurensicherung waren allerdings noch früher
aufgestanden, sie waren in ihren weißen Ganzkörperanzügen schon eifrig dabei,
nach Spuren zu suchen. Er begrüßte sie kurz, hielt sich aber abseits – er
wusste, wie sie es hassten, wenn Kommissare durch »ihren« Tatort stapften. Und
dass die auch noch in Straßenklamotten und allerhöchstens mit Handschuhen vor
Ort auftauchten, zweimal um die Ecke guckten und dann gleich das entscheidende
Beweisstück fanden, gab es eben nur im Film. Außerdem war es nur in seinem
Sinne, die Kollegen ihre Arbeit in Ruhe erledigen zu lassen, damit möglichst
nichts übersehen wurde.
    Becker wollte ohnehin erst mit den Anwohnern und den Autobesitzern
sprechen – wobei er sich davon nicht allzu viel erhoffte. Wenn nachts um vier
auf dem Parkplatz Autos brannten, war selten jemand wach und kriegte das mit.
Es sei denn, die Leute waren sensibilisiert. Becker erinnerte sich, dass vor
vielen Jahren das Café am gegenüberliegenden Schloss völlig ausgebrannt war.
Lange bevor diese gut situierten Familien mit ihren PS -gewaltigen
Geländekutschen eingezogen waren. Damals hatte es hier wahrscheinlich noch
richtige Pferde gegeben.
    Der geschniegelte Typ, der jetzt auf ihn zukam, trug unter seiner
Barbour-Steppjacke einen farbkräftigen Pullover, dessen halbe Vorderfläche von
der stilisierten Figur eines Polospielers eingenommen wurde. Seine Haltung und die
Art, wie der Pullover über dem Bauch spannte, deuteten allerdings an, dass der
Polosport im Besonderen und Sport im Allgemeinen nicht zu den bevorzugten
Hobbys des Mannes zählten. Und sein Benehmen ließ auch zu wünschen übrig, denn
er polterte gleich los, nachdem Becker sein Sprüchlein, wer er und warum er da
war, aufgesagt hatte.
    »Sind wir schon so weit in Deutschland, dass man einfach das Auto
eines unbescholtenen Bürgers anzünden darf? Ich hoffe, Sie unternehmen
unverzüglich etwas dagegen, schließlich zahle ich genug Steuern, die ja auch
für Ihr Gehalt sorgen!«
    Becker hätte am liebsten geantwortet, er habe die Erfahrung gemacht,
dass diejenigen, die am lautesten herumtönten, wie viel Steuern sie zahlten,
meist die waren, die in Wirklichkeit am wenigsten zahlten, weil ihnen diverse
Steuersparmodelle und genügend halblegale Schlupflöcher zur Verfügung standen.
Aber er leierte nur den üblichen Sermon herunter, man werde tun, was man könne,
und dachte sich seinen Teil. Der Steppjackentyp schnaubte verächtlich und
bestätigte, dass er nichts gehört oder gesehen habe. Er verwies auf seine Frau,
die in der Wohnung sei, und ging zu einem schwarzen niedrigen Sportwagen, in
den er sich nicht ohne Mühe zwängte. Dann ließ er den Kies spritzen und
verschwand. Becker seufzte. Hier würde sich nicht viel mehr ergeben als jede Menge
Arbeit für die beteiligten Versicherungen – und neue Aufträge für die
umliegenden Händler der gehobenen Automobilhersteller. Er ging hinüber zum
Haus, um mit den anderen Bewohnern zu sprechen.
    ***
    Auch Philipp Lindner beschäftigte sich mit den Autobränden,
allerdings nur dergestalt, dass er darüber in der Zeitung las. Dass Leute Autos
anzündeten, kannte er von den üblichen Chaostagen in Berlin oder Hamburg, also
aus der Ferne. Wenn schon im provinziellen Mönchengladbach Fahrzeuge brannten,
sollte er vielleicht lieber in Düsseldorf bleiben, da zündete niemand Autos an,
jedenfalls nicht in seinem Viertel. Außerdem hatte er einen Tiefgaragenplatz
für seinen zehn Jahre alten Porsche. Wenn es mit der politischen Karriere nun
endlich weiter voranging, würde er den bald gegen etwas Neues, Größeres,
Schnelleres eintauschen müssen. Er machte sich eine Notiz in sein Blackberry,
demnächst Prospekte von Autohändlern zu besorgen.
    Die Berichterstattung über seinen im Krankenhaus liegenden Vorgänger
war inzwischen von den vorderen Seiten in die Lokalberichterstattung gewandert.
Viel Neues gab es auch nicht zu berichten, der Artikel fasste unter der
Überschrift » NRW -Politiker noch immer im Koma«
die wenigen Fakten zusammen. Demnach war Matthias Strüssendorfs Kopf in

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