Das letzte Hemd
räusperte sich, schließlich
hatte er hierzu nicht umsonst so einiges recherchiert. »Also, das NATO -Musikfest soll auf besonders eindrucksvolle Weise
der Völkerverständigung der beteiligten Nationen dienen –«
Rosenmair hob beide Hände. »Stopp, Herr Garnisonssprecher, das
reicht schon. Den Rest les ich dann im Internet, bei Mickymauspedia oder wie
das heißt.«
Rosenmairs Mobiltelefon meldete sich mit enervierendem Zirpen. Larry
wandte sich ab und murmelte etwas von »Ohrenbeleidigung«, »polyphonen
Klingeltönen« und »21. Jahrhundert«. Der Richter ignorierte ihn und
wartete noch einen Extramoment, bevor er ranging. Es war Marlene, die sich aus
irgendeiner anderen Zeitzone meldete, denn sie war gerade beim Frühstück mit
toller Aussicht, wie sie Rosenmair wissen ließ. Der zeigte sich unbeeindruckt.
»Und ich bin gerade bei Larry.« Auf Marlenes Nachfrage, wie denn da die
Aussicht sei, erwiderte Rosenmair nach einem Blick auf Larrys Rückseite, die
dieser ihm in diesem Moment entgegenstreckte, weil er gerade ein Netzteil unter
dem Schreibtisch anschließen musste: »Würde dir nicht gefallen.« Dann hörte er
Marlenes Ausführungen zu, sagte: »Gut. Du auch«, und legte auf.
Larry hatte sich wieder aufgerichtet. »Was würde wem nicht
gefallen?«
»Dein Hinterteil. Marlene. Grüße, übrigens.«
»Danke. Wo ist sie denn mal wieder? Und gegen mein Hinterteil ist
überhaupt nichts zu sagen.«
»Keine Ahnung – also, wo sie ist. Ich meine, ich hab irgendwas mit
Kanada verstanden, könnte aber auch Cancun gewesen sein oder die Kanaren.
Jedenfalls fliegt sie in den nächsten Tagen wieder zurück nach Deutschland und
ist irgendwann in Berlin und dann vielleicht auch mal wieder in Düsseldorf.«
Larry schüttelte langsam den Kopf. »Also für mich wär das ja nichts,
immer so durch die Gegend jetten. Obwohl man natürlich was sieht von der Welt …«
Rosenmair lachte kurz und trocken. »Ja, Hotels und Flughäfen. Und
das Innere von Taxis. Da könnte Marlene ein Buch drüber schreiben. Ist doch gar
kein schlechter Titel: ›Das Innere von Taxis‹.«
»Also ich würde das nicht lesen wollen.«
»Du liest doch sowieso nicht. Du guckst dir doch höchstens die
Verfilmung an.«
»Geht ja auch schneller. Außerdem stimmt das gar nicht, dass ich
nicht lese, es muss mich halt nur interessieren.«
»Das wäre dann wohl eine Gebrauchsanweisung oder irgend so ein
Computerhandbuch.« Rosenmair dachte an die über neunhundert Seiten von Thelens
»Insel« und grinste. »Ich hab ein Buch für dich, da würde mich deine Meinung
wirklich mal interessieren. Ist sogar von einem Autor aus der Gegend hier. Das
Buch legst auch du nicht mehr aus der Hand.«
Larrys Blick war pure Skepsis. »Aber da muss schon auch was
passieren, nicht bloß so Innenansichten eines depressiven Dorfpfarrers oder
so.«
»Nein, keine Angst, da passiert genug. Ich bring’s dir mit.«
Rosenmair nahm seine Jacke. »Ich muss jetzt los, ich bin noch verabredet.«
Als er schon fast aus der Tür war, rief Larry ihm hinterher: »Rosi,
hast du nicht was vergessen?«
Rosenmair drehte sich um. »Nenn mich nicht …« Sein Blick fiel auf
den Hund. »Rüttgers!«
Larry warf ihm die Leine zu. »Keine Angst, ich würde dich nie
Rüttgers nennen.«
Als er an der Küche vorbeikam, ging es gerade um unmögliche
Namen von Musikernachwuchs.
»Peaches Geldof.«
»Das geht noch besser: Fifi Trixibelle Geldof.«
»Tallulah und Rumer, die Töchter von Bruce Willis.«
»Der ist kein Musiker. Hobbymäßig ein paar Platten aufnehmen und
›Under the Boardwalk‹ singen reicht nicht.«
»Aber Bob Geldof – der sammelt doch heute nur noch Geld und lässt
sich mit Desmond Tutu, Bono und dem Papst fotografieren.«
»Ha! Heavenly Hiraani Tiger Lily.«
»Das hast du dir ausgedacht, so heißt doch kein Mensch.«
»Doch, die Tochter von Michael Hutchence.«
»Der ist doppelt, den müssen wir abziehen.«
ACHT
Echte Trauer sah anders aus. Man konnte mit Fug und Recht
behaupten, dass sich die Anzahl der Tränen in Grenzen hielt, die dem
verstorbenen Fraktionsvorsitzenden Matthias Strüssendorf in seiner Partei
nachgeweint wurden. Die eine Hälfte hatte ihn schon immer für ein
rücksichtsloses Arschloch gehalten, die andere setzte alles daran, ihm
nachzueifern. Da war jeder Konkurrent, der aus dem Weg geräumt war, ob
freiwillig oder unfreiwillig, grundsätzlich zu begrüßen. Natürlich war es
furchtbar, wenn jemand starb, keine Frage, aber müssen wir
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