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Das letzte Hemd

Das letzte Hemd

Titel: Das letzte Hemd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Puettjer , Volker Bleeck
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was?«
    »Ach, hatte ich nicht erwähnt, dass der hohe Stapel natürlich der
mit den Vermerken ›dringender Fall‹, ›sofort bearbeiten‹ und ›oberste
Priorität‹ ist? Mein Kumpel meinte, die würden das in den nächsten Wochen nicht
mal bearbeiten, wenn es darum ginge, der Bundeskanzlerin vorsätzlichen Betrug
am Wähler nachzuweisen.«
    »Wieso nachweisen?«, rutschte es Becker heraus. Dann zog er das
rußig schwarze unförmige Teil aus dem Umschlag und sah es sich lange an.
    Lentzen saß völlig regungslos und sah aus, als wollte er demnächst
zum Zen-Buddhismus übertreten. Auch Stöffel war jetzt wieder da und hatte den
Rest des Gesprächs mitgekriegt. Er warf einen skeptischen Blick auf den Kasten,
dann hellte sich seine Miene auf. »Chef, ein Freund von mir hat eine
Autovertragswerkstatt und alle möglichen Computerdiagnosegeräte. Vielleicht
kann der das auslesen.«
    Becker schüttelte missmutig den Kopf. »Das bezweifele ich. Nein, wir
bräuchten einen absoluten Spezialisten, der auch …« Er verstummte. Seine
Kollegen warteten ab, als müsse da noch etwas kommen, aber Becker schnappte
sich seine Autoschlüssel, seine Jacke und das Paket und ging zur Tür. »Stöffel,
ich vernehme jetzt die Tante, äh, die Witwe und fahr beim Toni an der Autobahn
vorbei. Und dann guck ich mal, ob wir hier was rauskriegen.« Triumphierend hob
er das Paket hoch über seinen Kopf und verschwand.
    Lentzen sah ihm nach. Dann griff er nach einem Zettel, der auf dem
Tisch gelegen hatte. »Mensch, der muss doch quittieren, wenn er das mitnimmt.«
Für einen kurzen Moment sah es aus, als wollte er Becker hinterherlaufen. Dann
lehnte er sich wieder zurück. »Ach. Wird schon.« Er sah Stöffel an. »Kaffee?«
    ***
    Schade, dass kein Wettbüro auf so etwas Quoten annahm. Larry
stand auf der Terrasse seines jüngsten Kunden-Neuzugangs und installierte eine
Überwachungskamera-Attrappe. Typisch: Vergangene Nacht war in der Nachbarschaft
eingebrochen worden, und prompt hatte er den Auftrag in der Inbox seines E-Mail-Programms
vorgefunden. Als er dem Besitzer der Villa vorgestern nach der Objektbegehung
seinen Kostenvoranschlag präsentiert hatte, war dieser spontan sicher gewesen,
dass er ja eigentlich doch ganz gut abgesichert war, mit Doppelglas und
Sicherheitsschlössern. Kaum erzählte der Nachbar, dass man sein Gartenhaus
aufgebrochen habe, spielte Geld plötzlich keine Rolle mehr. Dabei war nicht mal
richtig was gestohlen worden, der Nachbar hatte die Tür seines Gartenhauses
aufgehebelt vorgefunden, außer einem bisschen Durcheinander war aber nicht viel
festzustellen. Wertvolles war da sowieso nicht gelagert worden, da Larrys
Freund Calzone sich um den Garten kümmerte, und der brachte seine Gerätschaften
mit. Von Calzone wusste Larry auch von der Einbruchsgeschichte und hatte schon
erwartet, dass der Auftrag kommen würde. Trotzdem hatten die Hausbesitzer sich
nicht zu wirklichen Sicherungsmaßnahmen durchringen können und nur das »Abschreckpaket«
gebucht. Demnächst sollte es wohl für zwei Monate ins Ausland gehen, wohin
genau, das hatte er schon wieder vergessen.
    Larry kletterte auf die Leiter und schraubte die Halterung des
Bewegungsmelders an. Dabei fiel sein Blick aufs Nachbargrundstück. Er erkannte
die junge Frau, die er zuletzt mit den Putzutensilien gesehen hatte. Sie ging
auf das aufgebrochene Gartenhaus zu, verschwand aber nicht darin, sondern
dahinter. Kurze Zeit später kam sie mit einer Plastiktüte unter dem Arm zurück
und begab sich wieder ins Haus. Gleich darauf ging in einem Zimmer das Licht
an. Offensichtlich handelte es sich um eine Souterrain-Einliegerwohnung. Larry
konnte erkennen, wie die Frau die Plastiktüte in eine von zwei gepackten
Reisetaschen stopfte. Sie nahm die Taschen, und kurz danach ging das Licht
wieder aus.
    Er beendete seine Installation, dachte aber immer noch über die
junge Frau nach. Seltsam war das schon. Er packte seinen Kram zusammen und ging
zum Auto. Als er an dem Grünstreifen vorbeikam, standen da wieder die roten
Damenschuhe, säuberlich nebeneinander ins Gras gestellt. War das vielleicht
irgendein Zeichen?
    Als Larry kurz darauf schwungvoll und rasant wie immer auf
seinen Hof einbog, wäre er fast auf Beckers Audi aufgefahren, der dort schräg
geparkt war. In der Küche fand Larry den Kommissar im angeregten Gespräch mit
einem an einem offenen Verstärker bastelnden Musiker. Es ging wohl um die Vor-
und Nachteile versenkbarer Schraubenköpfe und die Frage, ob

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