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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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Flusses wurde stärker. Die Straße bog wieder nach Norden hinauf. Johnny deutete nach rechts. »Da liegt der Fluss. Wir fahren jetzt parallel daran entlang.« Er fuhr noch eine Meile weiter, dann kam das erste Tor. Es stand offen, doch das Schild daneben war unmissverständlich: PRIVATGELÄNDE. ZUTRITT VERBOTEN.
    Johnny fuhr weiter.
    Das zweite Tor war geschlossen, aber nicht gesichert. Es war aus altersfleckigem Aluminium und zur Mitte hin durchgebogen, als habe ein Truck es beim Zurücksetzen eingedrückt. Es hing an einem Zedernholzpfosten, und der untere Rand berührte da, wo es verbogen war, die Straße. »Mach das Tor auf.«
    Jack sprang aus dem Truck und zerrte an dem Gatter. Es drückte das Gras am Straßenrand nieder, und Johnny fuhr hindurch. Dann schloss Jack es wieder.
    Sie fuhren hinunter in die Flussebene. Schwarz und ölig langsam wälzte sich der Fluss vor ihnen vorbei. Johnny deutete auf einen breiten Streifen von platt gedrücktem Gras, wo der Fluss beim letzten großen Unwetter über die Ufer getreten war. »Da wird's sumpfig werden.«
    Die Straße führte jetzt wieder weg vom Fluss. Der Sumpf rückte auf beiden Seiten näher heran, und der Asphalt hob sich vielleicht anderthalb Meter hoch über das Gelände und wurde zu einem Damm über der weichen Erde und dem dunklen Wasser, das zwischen den Bäumen hindurchschimmerte. Johnny bog um eine Kurve und hätte beinahe eine Schnappschildkröte überfahren, die sich mitten auf der Straße sonnte. Ihr Panzer hatte einen Durchmesser von über einem halben Meter und war schwarz von getrockneten Algen. Johnny wich ihr aus, und sie riss das hakenförmige Maul auf, als sie vorbeifuhren.
    Es ging ein letztes Mal bergab und dann hinauf zu einem Damm, der eine breite, stille Wasserfläche durchquerte. Das seichte Wasser erstreckte sich weit nach beiden Seiten, hier und da durchbrochen von umgestürzten Bäumen, die halb herausragten, und Grasbüscheln auf kleinen Erhebungen im unebenen Grund. Am Ende des Dammes kroch trockenes Land aus dem Sumpf herauf wie eine Insel, etwa eine Meile weit, bewachsen mit Hartholzbäumen und Lianen. Johnny hielt an. Vor ihnen wurde der Schotter dünner und hörte dann ganz auf. Ein zerfurchter Lehmstreifen durchquerte den Sumpf und verschwand schließlich im Wald. Riesige Äste streiften dort über den Boden, und Wurzeln erstreckten sich meterweit, bevor sie in der Erde verschwanden.
    Johnny fuhr über den Damm, blieb auf dem letzten sonnenbeschienenen Stück stehen und stellte den Motor ab. Die Luft war still, und allmählich nahmen die Geräusche des Sumpfes wieder zu. Sie erwachten leise und stiegen dann auf wie die Töne einer Flöte. Am Rand des Wassers stieß ein Reiher den Schnabel in den Morast und streckte ihn leer wieder in die Höhe. Er stakste ein paar Schritte weiter, erstarrte und legte den Kopf schräg, um mit einem Auge ins Wasser zu spähen. Die Jungen stiegen aus. Drei Meter vor ihnen entdeckte Johnny das Schild. Halb überwuchert von Geißblatt und irgendwelchen anderen Ranken, schien es genauso alt zu sein wie alles andere hier: verwitterte Bretter, an einen Baum genagelt. Johnny riss die Ranken herunter. Darunter waren die Worte ins Holz geschnitzt, tiefe Kerben, innen schwarz, als seien sie eingebrannt.
    HUSH ARBOR, 1853.
    »Das ist es.« Johnny trat zurück.
    »Die Stelle, wo sie die Leute aufgehängt haben.«
    »Das ist lange her.«
    »Das ist ein Ort des Todes, Johnny.«
    »Jetzt geht deine Fantasie mit dir durch.«
    »Ist schon längst passiert.«
    Johnny ging zunächst nicht darauf ein. Der Duft des Geißblatts hing zuckersüß in der Luft. Er legte zwei Finger auf die roh geschnitzten Buchstaben. »Ist doch nur ein Wald«, log er schließlich. Der Reiher spießte einen Frosch auf und riss ihn aus dem Schlamm. »Nur irgendein Wald.«
    Jack ließ einen flachen Stein über das Wasser hüpfen. Kreisförmige Wellen breiteten sich über der teerschwarzen Oberfläche aus. Der Reiher breitete die Schwingen aus und flog mit dem zappelnden Frosch im Schnabel davon. »Glaubst du wirklich, hier draußen wohnt jemand?«
    Johnny schaute hoch und drehte den Kopf. »Keine Stromleitung.
    Keine Telefonleitung. Vielleicht nicht.«
    »Das ist das Beste, was ich heute den ganzen Tag gehört hab.« Johnny spähte in den Wald hinein. Er ging unter den Ästen hindurch und fühlte, wie es kälter wurde. Unter dem Blätterdach war es still wie in einer Kathedrale. »Was ist mit dem Truck?« Johnny sah sich um. Sein Freund stand

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