Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
Vom Netzwerk:
Gespräch hinauslaufen würde, und er betete zum Himmel, dass er sich irrte.
    »Nichts von all dem wäre passiert, wenn wir Holloway aus dem Spiel gelassen hätten«, sagte Yoakum schließlich. »Wir hätten Meechum in der Mall festnehmen können. Ohne Schießerei. Ohne verbrannte CDs. Das waren Sie, Clyde, das war Ihre Entscheidung. Und das war etwas Persönliches.«
    Das Telefon schien in Hunts Hand zu summen. »Gute Nacht, Yoakum.«
    Nach einer drückenden Pause sagte Yoakum: »Gute Nacht, Clyde.«
    Die Leitung war tot.
    Hunt goss sich noch einen Scotch ein.

ZWEIUNDVIERZIG
    F reemantle starrte den Revolver an, der in Johnnys Händen zitterte. Auch Johnnys Stimme zitterte. »Wo ist sie?«
    Erschrocken rückte Jack näher. »Johnny, was hast du vor?«
    »Wo ist meine Schwester?«
    »Ich kenne deine Schwester nicht.« Ein Funke knisterte im Ofen. »Ich kenne dich nicht.«
    Johnny bückte sich nach dem Stoffstreifen mit Alyssas Namen und hielt ihn hoch. »Das ist meine Schwester. Alyssa Merrimon. So heißt sie.« Freemantle wandte den Blick nicht von Johnnys Gesicht. »Sehen Sie hin«, sagte Johnny.
    Freemantle sah hin. »Ich kann nicht lesen.«
    »Sie wurde vor einem Jahr entführt. Und das ist ihr Name.«
    »Ich glaube nicht, dass er es weiß«, sagte Jack.
    »Er muss es wissen.«
    »Ich würde es dir sagen, wenn ich es wüsste.«
    »Er weiß es nicht«, sagte Jack.
    »Wo haben Sie das her?« Johnny hielt Freemantle den blutigen Fetzen unter die Nase. »Wo haben Sie es gefunden? Wann?«
    Der Riese rollte die Schultern, und die Muskeln spannten sich unter der Haut. »Das hab ich von dem zerbrochenen Mann. Gleich nachdem du mich gebissen hast.«
    »Von wem?«
    »Vom zerbrochenen Mann.« Wie er es sagte, klang es wie ein Name. »Der zerbrochene Mann lag bei der Brücke. Ich hab's ihm aus der Hand genommen. Er hatte es in der Hand.«
    Johnny ließ die Hand sinken. »Nachdem Sie mich hochgehoben haben?«
    »Gott hat gesagt, ich soll nachsehen, wovor du weggelaufen bist, und das hab ich getan.«
    »David Wilson«, sagte Johnny. »Hat er noch gelebt, als Sie ihn gefunden haben?«
    Freemantle senkte den Kopf, schloss die Augen und dachte nach.
    »Leg die Waffe weg«, flüsterte Jack. Johnny zögerte. »Glaubst du wirklich, dieser Mann hat Alyssa? Pass auf, dass hier niemand zu Tode kommt.«
    Johnny ließ den Revolver sinken, bis die Mündung auf den staubigen Boden gerichtet war. »Hat der zerbrochene Mann noch gelebt?«
    Freemantle hielt die Augen geschlossen. »Da waren Stimmen im Fluss. Flüstern. Worte wie Pusteblumen.« Er machte eine schwebende Bewegung mit den Fingern. »Ich war so müde ...«
    »Stimmen?« Johnny stürzte sich auf das Wort. »Hat er etwas gesagt, der zerbrochene Mann? Irgendetwas?«
    »Ich erinnere mich nicht.«
    »Sie müssen!«
    Die breiten Handflächen wandten sich nach oben. »Die Krähen sind gekommen. Ich hatte Angst.« Sie waren nur noch zwei Handbreit voneinander entfernt, der Junge und der Mann. »Ich würde es dir sagen, wenn ich könnte.« Freemantle legte sich auf die warmen Steine. »Vielleicht weiß ich es morgen früh. Das kommt manchmal vor.« Er schloss die Augen. »Es tut mir leid wegen deiner Schwester. Jetzt bin ich fertig.«
    Johnny starrte ihn an, bis seine Beine taub wurden. Seine Verzweiflung war wie ein Hunger, und als er sich schließlich abwandte, hatte Freemantle angefangen zu schnarchen.
    Johnny legte den Revolver auf ein Bord. Sein Blick wanderte über Balken und Pfosten und Eisengeräte. Er hob den Kopf und schaute unter das Dach, und in seiner Brust öffnete sich eine finstere Grube. Er empfand Zerrissenheit und dann Leere. Die Grube war ein Vakuum.
    Jack brach das Schweigen. »Warum hat er Angst vor Krähen?«
    »Ich glaube, er hört den Teufel, wenn die Krähen in seine Nähe kommen.«
    »Den Teufel?«
    »Er hört die eine Stimme. Warum nicht auch die andere?«
    »Und wenn das wahr ist?« Jack schlang die Arme um seine Knie, wiegte sich vor und zurück und konnte Johnny nicht in die Augen sehen. »Was ist, wenn er wirklich Gottes Stimme hört? Und wenn er wirklich ... du weißt schon.«
    »Hört er nicht.«
    »Aber wenn ?«
    »Niemand hört sie.«
    Jack zog die Knie fester an sich. Sein Gesicht war schmutzig.
    »Ich kann Krähen auch nicht leiden. Schon als ich klein war, hatte ich Angst vor ihnen. Was ist, wenn das der Grund ist?«
    »Hör auf, Jack.«
    »Du weißt, was man über sie sagt, oder?« Jacks Stimme war dünn und angespannt. Johnny kannte die Antwort.

Weitere Kostenlose Bücher