Das letzte Kind
Scherben. »Es tut mir so verdammt leid.«
»Was denn?« Johnny drehte sich um. »Was tut dir leid?« Jack schüttelte den Kopf und ließ das Gesicht in die Hände sinken. »Feigheit ist eine Sünde.« Johnny starrte seinen Freund an. Die Worte kamen wie ein Schluchzen aus Jacks Mund.
»Würdest du was Gutes über mich sagen, wenn jemand dich fragt?« Jack wischte sich mit dem Unterarm über die Nase. »Nur wenn, Johnny. Wenn jemand fragt? Würdest du sagen, ich bin ein guter Freund? Ich hab mich bemüht, weißt du. All die Nächte, unterwegs mit dir. All die Nächte, in denen wir gesucht haben. Ich hab dir den Rücken freigehalten, weil ich wusste, du würdest nicht aufhören. Ich hab versucht, dich von den üblen Häusern fernzuhalten, von den wirklich üblen Häusern. Ich wäre gestorben, wenn dir was passiert wäre. Die Schuld hätte mich umgebracht, Johnny. Sie hätte mich regelrecht umgebracht.«
»Und was ist mit dem Rest der Schuld, Jack? Was ist mit Alyssa? Du hast gewusst, wo sie war? Die ganze Zeit?«
»Lüge und Schwäche. Das sind auch Sünden.«
»Jack.«
»Die kleinen Sünden verzeiht Gott.«
»Die ganze Zeit.«
»Ich hab versucht, dich zu beschützen.« Jack wiegte sich auf dem Boden. »Sie war tot.« Er schüttelte den Kopf. »Sie war doch schon tot.«
»Was ist mit meiner Schwester passiert?« Johnny stand mit geballten Fäusten vor ihm. Gleich würde er ausrasten. Er rastete aus. »Was ist passiert, Jack?«
Jack atmete tief und rau ein und schaute weiter auf das Wasser.
»Ich hab ihr mein Fahrrad geliehen. Mehr hab ich nicht getan. Ich wollte nur helfen. Das musst du mir glauben.«
»Erzähl mir den Rest.«
»Wir waren in der Bibliothek, ein paar von uns. Du erinnerst dich an das Projekt, das wir machen mussten?« Johnny antwortete nicht, und da nickte Jack nur. »Wir waren in derselben Gruppe, Alyssa und ich. Vulkane. Wir mussten einen Aufsatz über Vulkane schreiben. Es war spät, wurde schon dunkel, weißt du. Alle meinten, es wäre Zeit zu gehen.« Er zögerte kurz. »Ich hab ihr mein Fahrrad geliehen, weil dein Dad vergessen hatte, sie abzuholen. Er hatte es vergessen, und es wurde dunkel. Gerald hatte einen neuen Truck, und da war ihm jeder Vorwand recht, damit zu fahren. Also hab ich ihr mein Rad geliehen und meinen Bruder angerufen, damit er mich abholte. Mehr hab ich nicht getan, Johnny. Da sollte ja nichts Schlimmes passieren. Ich wollte was Gutes tun. Das zählt doch, oder? Das zählt.«
Jack rieb sich die Augen. Mit der kleinen Hand. Mit der normalen Hand. Beide zu Fäusten geballt und zitternd. »Er hat gesagt, er wollte ihr einen Schrecken einjagen.«
»Wer?«
»Es sollte ein Spaß sein.«
»Gerald?«, fragte Johnny.
»Sie hat so fest in die Pedale getreten.«
»Oh, nein.«
»Ganz dicht am Straßenrand.« Jack machte eine Pause. »Er wollte ihr nur einen Schrecken einjagen.«
»Was ist passiert, Jack?«
»Er hatte getrunken.«
Johnny packte Jack beim Hemd und wollte ihn hochziehen. Das Hemd zerriss. » Fuck, was ist passiert?«
»Sie hat sich umgedreht, und ich nehme an, es waren die Scheinwerfer. Sie waren so nah. Sie hat das Gleichgewicht verloren. Ist gefallen. Unter den Truck gekommen. Gerald ist durchgedreht. Er hat meinen Vater angerufen.« Jack weinte. »Sie war tot, Johnny.«
»Ich verstehe nicht.«
»Sie war einfach tot. Ich wollte es sagen, aber sie hatten Gerald gerade wegen seiner Profikarriere angesprochen.«
»Was hat das mit all dem zu tun?«
»Dad meinte, wenn das rauskommt, könnte sich Gerald den Profi abschminken.«
»Du hast wegen Geralds Baseball-Karriere gelogen?«, schrie Johnny, und Jack schüttelte den Kopf. »Was denn dann?«, fragte Johnny. »Was denn dann?«
»Ich wollte es ja sagen.«
»Aber das hast du nicht.«
Jack weinte jetzt leise. »Johnny.«
»Die ganze Zeit.«
Jack stand auf und schwankte. Er streckte die Hand aus, aber Johnny schlug sie herunter. »Ich hab's versucht.«
»Wie hast du es versucht?«
»Weißt du noch, wie ich dir erzählt hab, Gerald hätte mir den Arm gebrochen?« Jack zitterte, und sein Blick war flehentlich. »Das war mein Dad. Ich habe ihm gesagt, ich würde es erzählen, und da hat er mir den Arm gebrochen. An vier Stellen. Er hat mich auf dem Boden festgehalten, und ich musste schwören.« Jack legte die Hand an Johnnys Arm. »Ich musste schwören.«
»Wegen Geralds Karriere?«
»Sie reden von nichts anderem. Gerald und mein Dad.«
Johnnys Magen krampfte sich zusammen. Er beugte sich
Weitere Kostenlose Bücher