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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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aus irgendeinem Grund wütend. Die Hände in die Hüften gestemmt, redete sie auf den Mann ein. Sie stellte sich vor den Fernseher, und der Mann lehnte sich nach links. »Häusliches Glück«, sagte Yoakum.
    Hunt klopfte an die Tür, und der Fernseher ging aus. Er trat zurück, als die schweren Schritte der Frau die dürftige Behausung vibrieren ließen. Ihr Gesicht füllte das kleine Fenster aus. Braune Zähne, schlechte Haut.
    »Schweig still, mein Herz«, flüsterte Yoakum.
    Hunt hielt seine Dienstmarke an die Scheibe. Drinnen wurden Riegel beiseitegeschoben, und die Frau erschien hinter der zerfetzten Fliegentür. »Zeigen Sie noch mal«, sagte sie.
    Hunt hielt die Marke hoch. »Detective Cross schickt uns.«
    Die Frau zündete sich eine Zigarette an und blies ihnen den Rauch entgegen. »Was will er denn jetzt wieder?«
    »Dürfen wir eintreten?« Sie musterte sie noch einmal, nahm einen Zug von ihrer Zigarette. »Wischen Sie sich die Füße ab.«
    Vor der Tabakscheune stand kein Truck. Von Jack keine Spur. Im matten Licht des einen Autoscheinwerfers sah Johnny einen einsamen Farbfleck: sein blauer Rucksack. Er war schmutzig, und der Boden war fleckig. Jack hatte ihn mitten in die Scheunentür gestellt. Johnny stieg aus, ließ aber den Motor laufen. Der Mond stand jetzt tief über dem Horizont, riesig und silberweiß. Es roch nach Benzin und verbranntem Öl.
    Johnny hob den Rucksack auf. Er fühlte sich an, als sei er leer. Als er ihn öffnete, wehte ihm der Geruch des toten Vogels entgegen. Auf dem Boden lag eine Nachricht, auf die Rückseite einer Quittung mit Onkel Steves Namen geschrieben, in Jacks Handschrift.
    Komm zu unserem Platz.
    Im letzten Jahr hatten sie jede Menge Plätze gehabt, aber Johnny wusste, welchen Jack meinte. Sie gingen dorthin, um Bier zu trinken und sich Geschichten zu erzählen. Um allem andern zu entkommen. Die Stelle, wo David Wilson im Staub gestorben war.
    Wo das alles angefangen hatte.
    Er wendete im Gestrüpp.
    Und fuhr zum Fluss.
    Nur wenige Autos kamen ihm entgegen. Dicke Käfer klatschten gegen die Windschutzscheibe, und mehr als einmal verschwamm die Straße vor seinen Augen. Er war erschöpft und so ausgepumpt, dass er den Abzweig von der Hauptstraße beinahe verpasst hätte. Der Feldweg war überwuchert und tief zerfurcht, und das Unkraut war noch platt gedrückt von den Polizeiwagen, die wegen David Wilson hier gewesen waren. Zum Fluss ging es steil hinunter, und links ragte die Brücke auf. Ausgewaschene Rinnen zerrten am Lenkrad unter Johnnys Händen, als die Straße hinter ihm zu-rückblieb. Er sah den Truck zehn Meter weit neben dem Weg, ein Schemen im Gestrüpp. Die Kabine war dunkel und leer. Johnny schaltete die Scheinwerfer ab und stieg aus. Er ging an dem Truck vorbei und schaute auf den Fluss hinunter. Das Mondlicht spiegelte sich auf dem Wasser, und die Felsen waren silbergraue Tafeln. Unter der Brücke war schwarze Dunkelheit.
    Johnny rutschte die Böschung hinunter, landete im Sand und ging hinaus zu einem der breiten, flachen Felsen. Das Wasser war in Bewegung, und etwas Dunkles schwamm vorbei. Die Weide stand rechts von ihm, die Brücke links. Jack sah er nicht.
    »Ich bin hier drüben, Johnny.«
    Die Stimme wehte unter der Brücke hervor. Jacks Stimme. Sie klang betrunken. Als Johnny unter die Brücke kam, sah er ihn. Er saß am Rand des Wassers. Einer der Brückenpfeiler endete hier; Jack saß auf einem schmalen Betonsims und ließ die Füße in den Fluss baumeln. Als Johnny bis auf fünf Schritte herangekommen war, blieb er stehen. Jacks Gesicht war nur undeutlich zu erkennen. Jack hob eine Flasche, und es gluckerte. »Willst du auch was?«
    »Was zum Teufel ist los, Jack?« Johnny wollte ruhig bleiben, aber schon jetzt verlor er die Beherrschung. Alyssa war tot, und Jack trank hier Bourbon. Jack rutschte von seinem Sims herunter und watete plantschend aus dem flachen Wasser ans Ufer. Er stolperte einmal und fiel auf das Knie. »Komm hierher, damit ich dich sehen kann.« Johnny trat aus dem Schatten der Brücke. Halb wollte er reden, und halb wollte er seinem Freund ins Gesicht schlagen.
    »Es tut mir leid, Mann.« Er lallte so sehr, dass Johnny ihn kaum verstand. »Johnny, Mann.« Jack trat heraus ins Mondlicht. Er trug die Jacke, die Johnny ihm geliehen hatte. Seine Hose war bis obenhin nass. Er stolperte wieder und ließ die Flasche fallen. Sie zerbrach auf den Steinen, und Schnapsdunst wehte über den lehmigen Boden. Jack setzte sich neben die

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