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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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die Figur war die gleiche. Und die gleichen sanften Augen. »Das ist unser Platz hier«, sagte er. »Wir waren zuerst da.«
    Hunts Sohn beugte sich über die Böschung, doch der herausfordernde Ton schien ihn nicht zu stören. Er sah Jack an. »Hab dich länger nicht gesehen.«
    »Wieso auch?«, fragte Jack, »Ich hab dir nichts zu sagen. Gerald übrigens auch nicht.«
    Johnny warf Jack einen Blick zu. »Er kennt deinen Bruder?«
    »Ist lange her.«
    Allen richtete sich wieder auf. »Ist lange her«, sagte er ungerührt. »Wir suchen uns einen anderen Platz.« Er wandte sich ab, hielt inne und sah Jack an. »Sag deinem Bruder einen schönen Gruß von mir.«
    »Kannst du ihm selbst sagen.«
    Allen schien kurz nachzudenken und reagierte dann mit einem leeren Lächeln. Er winkte seinen Freunden, stieg in den Truck und startete den Motor. Sie fuhren im Rückwärtsgang den Weg hinauf und verschwanden.
    »Das war Hunts Sohn?«, fragte Johnny.
    »Ja.« Jack spuckte aus.
    »Was hat er für ein Problem mit deinem Bruder?«
    »Ein Mädchen.« Jack schaute auf den Fluss hinaus. »Schnee von gestern.«
    Danach wurde die Stimmung immer mieser. Sie fingen eine Strumpfbandnatter und ließen sie wieder frei, sie schnitzten mit ihren Messern am Treibholz herum — aber es nützte alles nichts. Johnny war leer geredet, und Jack spürte es. Als eine ferne Sirene den Güterzug nach Süden ankündigte, zog er seine Schuhe an und packte seine Sachen ein. »Ich hau ab«, sagte er.
    »Bist du sicher?«
    »Es sei denn, du willst mich auf der Lenkstange zurückfahren.« Johnny kletterte hinter ihm die Böschung hinauf. »Treffen wir uns später noch mal?«, fragte Jack. »Ins Kino gehen? Oder Videospiele machen?«
    Die Sirene heulte wieder, näher jetzt. »Beeil dich lieber«, sagte Johnny.
    »Ruf mich nachher an.«
    Johnny wartete, bis er weg war, dann wickelte er die Stoppelfeder aus seinem Hemd und streifte sich die Schnur über den Kopf. Er tauchte die Hände in den Fluss, wusch sich das Gesicht und strich die Feder an seinem Fahrrad glatt. Seine nassen Hände ließen sie glänzen, und sie glitt zwischen seinen Fingerspitzen hindurch, drahtig, kühl und vollkommen.
    Johnny ließ noch ein paar Kieselsteine über das Wasser hüpfen, dann kehrte er zu dem Felsen zurück und legte sich hin. Die Sonne war warm, und die Luft lag auf ihm wie eine Decke. Irgendwann döste er ein. Einige Zeit später schrak er hoch. Es war Spätnachmittag geworden — fünf Uhr, vielleicht halb sechs. Dunkle Wolken türmten sich am Horizont, und im Wind lag der Geruch von fernem Regen.
    Johnny sprang von dem Felsen herunter und suchte seine Schuhe. Er hatte sie in der Hand, als er das Heulen eines kleinen Motors hörte. Es kam schnell von Norden heran. Das Heulen wurde zu einem Kreischen. Ein Motorrad, auf Hochtouren. Es hatte die Brücke fast erreicht, als Johnny einen zweiten Motor hörte, einen großen Motor mit breitem Klang. Johnny reckte den Hals und sah die Betonbrüstung, die sich auf der Brücke entlangzog, und dahinter einen Streifen von grünem Laub und einem Himmel, der aschgrau geworden war. Die Brücke begann zu beben. Johnny hatte noch nie gesehen, dass etwas so schnell heraufgefahren kam.
    Sie waren in der Mitte, als Metall auf Metall prallte. Johnny sah einen Funkenregen, das Dach eines Autos und ein Motorrad, das sich einmal überschlug, bevor eine Gestalt über die Brüstung flog. Ein Bein war grotesk verdreht, die Arme ruderten durch die Luft, und Johnny wusste, dass es falsch war, was er sah: ein Windrad, das mit einer Männerstimme schrie.
    Mit feuchtem Klatschen und dem zweifachen Krachen brechender Knochen landete es vor seinen Füßen. Ein Mann in einem schlammbespritzten Hemd und einer braunen Hose. Ein Arm war in einem völlig falschen Winkel hinter den Rücken verrenkt, sein Brustkorb sah eingedrückt aus. Seine Augen waren offen, und sie waren von einem erstaunlichen Blau.
    Bremsen kreischten auf der Straße. Johnny trat näher an den Verletzten heran. Auf der einen Seite des Gesichts war die Haut abgerissen, und das rechte Auge füllte sich mit Blut. Mit dem anderen starrte er Johnny an, als könne der Junge ihn retten.
    Oben auf der Straße heulte der große Motor auf, und der Wagen setzte mit quietschenden Reifen zurück. Johnny spürte die Vibrationen, als der Wagen wieder auf die Brücke rollte.
    Der Kiefer des Verletzten bewegte sich mühsam. »Er kommt zurück.«
    »Es ist okay«, sagte Johnny. »Ich helfe Ihnen.« Er kniete

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