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Das letzte Kind

Das letzte Kind

Titel: Das letzte Kind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Hart
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der Tür sehen konnte. Er lächelte, als bitte er um Nachsicht. »Welche Polizei?«
    »Detective Clyde Hunt. Ich muss mit Johnny sprechen.«
    Das Lächeln verschwand. »Kann ich eine Dienstmarke sehen?«
    Hunt drückte seine Marke an die Scheibe, trat dann einen Schritt zurück und legte die Hand auf den Kolben seiner Dienstwaffe. Holloway spendete Geld für gute Zwecke. Er saß in Vereinsvorständen und spielte Golf mit mächtigen Leuten.
    Aber Hunt kannte den Mann.
    Dazu war ein Jahr nötig gewesen, in dem er Katherine und Johnny im Auge behalten hatte: Zufallsbegegnungen wie die im Supermarkt, Gesagtes und Ungesagtes, ein Hinken oder ein Bluterguss, die nackten Augen des Jungen, wenn er glaubte, er sei tough. Hunt hatte nachgesetzt, aber Katherine war die meiste Zeit hinüber und nicht ansprechbar, und Johnny hatte Angst. Hunt hatte nichts Handfestes.
    Aber er wusste Bescheid.
    Noch ein Schritt rückwärts, und zwischen ihm und der Tür lagen anderthalb Meter. Holloways Brust verdunkelte das schmale Fenster. Er war fleischig und sonnengebräunt, und die Brust war breit über dem massigen Bauch. Dann erschien sein Gesicht hinter der Scheibe. »Es ist mitten in der Nacht, Detective.«
    »Es ist gerade mal neun, Mr. Holloway. Ein Kind ist entführt worden. Bitte machen Sie auf.«
    Der Riegel glitt zurück, und die Tür öffnete sich ein Stück weit. Falten zerschnitten das Fleisch in Holloways Gesicht, aber Hunt sah den feuchten Haaransatz: Er hatte versucht, sich frisch zu machen. Seine Hände waren leer. »Was hat Tiffany Shores Verschwinden mit Johnny zu tun?«
    «Geben Sie bitte die Tür frei?« Hunt bemühte sich um einen professionellen Ton, doch es fiel ihm schwer. Wenn er Ken Holloway ansah, bekam er Lust, ihn zu erschießen.
    »Also gut.« Holloway öffnete die Tür weit, wandte sich ab und schlug sich klatschend an die Schenkel.
    Hunt trat ein und ließ seinen Blick nach links und rechts wandern, bis er die Waffe gefunden hatte, einen .38er Revolver aus blankem Edelstahl. Er lag auf dem Fernseher, und der Lauf war zur Wand gerichtet.
    »Der ist registriert«, sagte Holloway.
    »Davon bin ich überzeugt. Ich muss mit Johnny sprechen.«
    »Geht es um das, was heute passiert ist?«
    Hunt roch eine Alkoholfahne. »Interessiert Sie das wirklich?«
    Holloway lächelte ohne Humor. »Augenblick.« Er hob die Stimme. »Johnny!« Keine Antwort. Er rief noch einmal und fluchte dann leise. Er verschwand im Flur, und Hunt hörte, wie eine Tür geöffnet und wieder zugeschlagen wurde. Holloway kam allein zurück. »Er ist nicht da.«
    »Wo ist er?«
    »Ich hab keine Ahnung.«
    »Er ist dreizehn Jahre alt«, sagte Hunt wütend. »Es ist dunkel, und es regnet. Der Wagen ist nicht da, und Sie haben keine Ahnung, wo er ist? Nach meiner Auffassung ist das eine Verletzung der Aufsichtspflicht.«
    »Und nach meinem Rechtsverständnis, Detective, ist das Sache der Mutter. Ich bin nur Gast in diesem Haus.«
    Ihre Blicke bohrten sich ineinander, und Hunt trat einen Schritt näher. Holloway war ein doppelzüngiger Junkie, geschmeidig und zuvorkommend, aber nur, wenn es ihm nützte. Im College mochten Gebäude nach ihm benannt sein, doch Hunt konnte seine Abneigung gegen ihn nicht verbergen. »Seien Sie vorsichtig mit mir.«
    »Ist das eine Drohung?«
    Hunt antwortete nicht.
    »Sie haben keine Ahnung, wer ich bin«, sagte Holloway.
    »Wenn diesem Jungen etwas passiert...«
    Holloway lächelte eisig. »Wie war doch gleich Ihr Name? Ich treffe mich morgen mit dem Bürgermeister und dem Stadtdirektor. Da möchte ich ihn korrekt angeben können.«
    Hunt buchstabierte seinen Namen. »Zurück zu dem Jungen.«
    »Er ist verwahrlost. Was soll ich daran ändern? Er ist nicht mein Sohn, und ich bin nicht für ihn verantwortlich. Soll ich jetzt seine Mutter holen? Vielleicht kann ich sie wecken. Sie wird dann nicht wissen, wo sie ist, aber wenn es Sie glücklich macht, schleife ich sie her.«
    Hunt bewunderte Johnnys Mutter, seit er sie das erste Mal gesehen hatte. Klein und voller Leben, hatte sie unter unerträglichen Umständen Mut und Zuversicht gezeigt. Sie war stark geblieben, bis sie eines Tages zusammengebrochen war, aber dann war der Kollaps total gewesen. Vielleicht war es die Trauer, vielleicht hatte sie Schuldgefühle — doch jetzt war sie nur noch eine tragische, verlorene Gestalt, hilflos einem Grauen ausgeliefert, das nur wenige Eltern sich vorstellen konnten. Dass sie mit einem Junkie wie Ken Holloway zusammen war, fand Hunt

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